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Das Mama-Burnout: Tipps gegen die drohende Krise

Stundenlanges Stehen in der Küche für eine Mahlzeit, die dann mit einem „Bäääh, das mag ich nicht“ zur Seite geschoben wird. Nächtelanges Wachen bei einem kranken Kind. Oder ständiges Gezänk um die Erledigung der Hausarbeiten – so hat man sich das Muttersein oft nicht vorgestellt. Übermüdung, Machtkämpfe, Geldsorgen, da kann ein ganz schönes Päckchen an Problemen zusammenkommen. Das deutsche „Müttergenesungswerk“, eine gemeinnützige Stiftung in Deutschland, gibt an, dass sich die Zahl der Mütter mit Erschöpfungssyndrom von 2004 bis 2012 um mehr als dreißig Prozent erhöht hat. Das weiß auch Pädagogin und angehende Psychotherapeutin Helga Pollheimer aus eigener Erfahrung, die das Gegenstück „MIA – Miteinander Auszeit“ in Österreich betreut: „Ich bin selbst alleinerziehnde Mutter von zwei Töchtern und weiß, dass einen das ganz normale Familienleben an die Grenzen bringen kann.“

Mama-Burnout – davon hört man immer öfter. Gibt es das erst heute oder gab es das schon immer?

Helga Pollheimer: „Mama-Burnout“ – ein Schlagwort wie viele andere, wenn es um die Überlastung vieler Mütter geht, die heute einen Alltag mit den unterschiedlichsten Herausforderungen zu bewältigen haben. Dennoch brachte meiner Meinung nach jede Zeit Anforderungen an die Elterngeneration mit sich, die das Familienleben in irgendeiner Art und Weise belasteten. Man hat darüber in der Öffentlichkeit nicht gesprochen und versucht, familieninterne Lösungen zu finden. Heute geht man damit anders, offener um. Je früher eine Mutter oder ein Vater Überlastungssymptome wahrnimmt, desto früher können Maßnahmen getroffen werden, dass es zu keiner psychischen Erkrankung kommt. MIA setzt in diesem Bereich an – Prävention zur Stärkung der psychischen Gesundheit.

Viele Familien sind mit den Lebensumständen überfordert: Beide berufstätig, immer neue Anforderungen im Job…

Helga Pollheimer: Ich sehe die Überlastungsfaktoren nicht ausschließlich auf den Vollzeiterwerb in den Familien beschränkt. Ganz im Gegenteil – Erwerbstätigkeit ist nicht nur eine finanzielle Notwendigkeit, sondern auch eine wichtige Ressource zur Stärkung des Selbstwerts jedes Einzelnen. Es liegt sehr oft an den Rahmenbedingungen, dass es zu einer Überlastung im Familiensystem kommt und auch am eigenen Anspruch, immer und in allen Bereichen Höchstleistungen zu erbringen.  Steigender Leistungsanspruch von Seiten des Arbeitgebers, nicht vorhandene oder zu teure Kinderbetreuungsplätze, unflexible Arbeitszeiten, Schicksalsschläge wie z. B. Arbeitslosigkeit, Trennung, Todesfall oder Erkrankung eines Familienmitglieds oder auch entwicklungs- und/oder verhaltensbedingte Probleme mit den Kindern, können ein System zum Kippen bringen. Wenn man als Elternteil nur mehr am Organisieren und Funktionieren ist, fehlt oft die Zeit und Energie, sich bewusst Erholungsphasen zu gönnen. Diese wären aber gerade in belasteten Zeiten sehr wichtig, denn geht es den Eltern gut, geht es auch den Kindern gut.

Kommen Mütter in unserer Zeit häufiger ins Burnout als noch vor 100 Jahren?

Helga Pollheimer: Das Bewusstsein, dass  Symptome wie z. B. ständige Müdigkeit, Gereiztheit, häufige Infektanfälligkeit, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und auch sonstigen körperliche Beschwerden, nicht „normal“ sind, ist in den letzten Jahren geschärft worden. Nicht zuletzt aufgrund der vielseitigen Möglichkeiten, sich im Internet zu informieren.  Stress wird subjektiv unterschiedlich wahrgenommen. Auch das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen und die Nutzung sozialer Medien hängen von der Persönlichkeit des einzelnen ab. Den Umgang mit diesen Anforderungen zu reflektieren und eventuell zu verändern, ist eines der Ziele die Burnout-Mütter lernen müssen.

Wie merkt man, dass man ein Burnout hat? Welche Menschen sind besonders gefährdet?

Helga Pollheimer: Jeder ist gefährdet, der vor allem an sich sehr hohe Leistungsansprüche hat – vom Manager bis zum Schulkind und auch alle anderen Personengruppen, wie z. B. Mütter/Väter. Ein „Burnout“ macht sich dann bemerkbar, wenn man für eine Sache „brennt“ und man den eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden kann.

Wie kann man ein Burnout abwenden? Gibt es spezielle Stratgien – quasi Erste-Hilfe-Tipps?

Helga Pollheimer: Wichtig ist die Reflexion des eigenen Tuns und der individuellen Situation. Zu hinterfragen, warum mache ich etwas wie immer und warum verspüre ich einen Druck, der dazu führt, das ich meine Leistung nicht mehr meinen Ansprüchen entsprechend erbringen kann.

Strategien, welche ein Burnout abwenden könnten, wären unter anderem folgende:

  • Erholungsphasen bewusst einplanen und sich mit Dingen beschäftigen, die der  Seele gut tun. Tipp: Manchmal einfach in die Sonne legen und nichts tun… Es geht um die Kleinigkeiten im Leben, die man bewusst genießen sollte.
  • Qualitätszeit mit der Familie und Freunden verbringen: Mit anderen Worten also Multitasking vermeiden.
  • Persönliche Erwartungen reflektieren und relativieren, d. h. eigene Ziele überdenken und neue Ziele, welche realistisch planbar und dadurch erreichbar sind, definieren. Oft haben wir viel zu hohe Ansprüche an uns selbst. Oft reicht es, wenn einem jemand eine Außensicht sagt. Das können Freunde, Familie oder aber auch Therapeuten sein.
  • Regelmäßig Zeit für Bewegung einplanen: Je öfter, desto besser. Einmal die Woche sollte aber mindestens ein Spaziergang drinnen sein.
  • Ernährungsgewohnheiten hinterfragen und auf ausgewogene Ernährung achten.
  • Erlernen einer Entspannungstechnik und die erlernte Entspannungstechnik in Stresssituationen bewusst anwenden. Das kann Yoga sein oder aber auch die  Muskelentspannung nach Jacobson sein.

Sind Mütter häufiger vom Burnout betroffen als andere „Berufsgruppen“?

Helga Pollheimer: Das glaube ich persönlich nicht, kann das aber nicht mit Untersuchungen belegen. Jede Berufsgruppe ist gefährdet. Die Tatsache, dass der Beruf „Mutter“ in der Gesellschaft nach wie vor nicht als solcher wahrgenommen wird, trägt sicher dazu bei, dass die Berichterstattung zu diesem Thema mehr Aufmerksamkeit erregt, als bei anderen Berufsgruppen. Ein Manager im Burnout ist vorstellbar, aber eine Mutter?

Frauen um die 40 befinden sich in der „Rush-Hour“ des Lebens. Wann wird es besser?

Helga Pollheimer: Besser oder schlechter – solche Wertungen sollte man meiner Meinung nach nicht verallgemeinern. Frauen können aufgrund ihrer persönlichen Lebenssituation diese „Rush-Hour“ Jahre früher oder auch später erleben. Eine Verbesserung der Situation oder Lebensphase kann dann gelingen, wenn Frauen bei allen beruflichen und familiären Anforderungen nicht vergessen, dass sie ein Individuum sind, welches ganz persönliche Wünsche, Ziele und Bedürfnisse hat. Zeit und Energie in dieses Bewusstsein zu investieren, dabei unterstützt MIA.

Früher haben Mütter gleich fünf oder sieben Kinder großgezogen: Was haben die anders gemacht?

Helga Pollheimer: Soweit ich weiß, gibt es das auch heute noch vereinzelt. Ich habe großen Respekt vor diesen Müttern. Die Lebensumstände „früher“ lassen sich, glaube ich, mit den Lebensumständen heute nicht vergleichen. Jede Zeit stellt spezielle Anforderungen an eine Familie mit Kindern.

 Stichwort Förderwahn: Wie viel Aufmerksamkeit/Förderung brauchen Kinder wirklich?

Helga Pollheimer: Im Idealfall ist Eltern sehr wohl bewusst, dass ein Leben mit Kindern den Fokus der Aufmerksamkeit im Alltag auf das Kind/die Kinder lenkt. Wichtig ist meiner Meinung nach dabei die Balance zwischen Erziehung, Begleitung und Unterstützung der Kinder und Erreichung eigener Ziele sowie Erfüllung eigener Bedürfnisse. Immer bedenken: Gut genug, ist das neue Perfekt.

Was kann ich tun, wenn mir alles über den Kopf wächst, wohin kann ich mich wenden? Und welche Voraussetzungen müssen gegeben sein?

Helga Pollheimer: Ich kann aktiv werden, d. h. mich mitteilen, sowohl im Familien- und Freundeskreis als auch im beruflichen Umfeld. Der Austausch bringt mit sich, dass das Gefühl, nur ich habe diese Probleme bzw. nur mir alleine wird alles zu viel und alle anderen schaffen das, nicht über Hand nimmt. Die Voraussetzungen sind so unterschiedlich wie die persönliche Bewertung der eigenen Situation. Wenn man sich im persönlichen Umfeld niemanden anvertrauen kann oder auch will, steht ein Arzt des Vertrauens ebenso zur Verfügung als auch Beratungsstellen jeglicher Art. Diese gewährleisten eine gewisse Anonymität, welche von den Betroffenen oft erwünscht ist. Mit diesen außenstehenden Personen kann die aktuell belastende Situation bzw. die persönlichen Belastungen objektiv besprochen werden und an einer gemeinsamen Lösung gearbeitet werden.

 

Über die Expertin

Helga Pollheimer (47) ist Pädagogin und angehende Psychotherapeutin. Sie betreut das Programm „MIA – Miteinander Auszeit“. Es handelt sich dabei um eine 3-wöchige Mutter-Kind-Kur. Zielgruppe sind Mütter aus ganz Österreich, denen auf Grund von mütterspezifischen Belastungsfaktoren psychische Erkrankungen drohen. Weitere Infos: PROGRAMM MIA. Gerlehrt und Gelernt werden Entspannungstechniken und ein  sorgsamer Umgang mit dem eigenen Ich.

 

 

 

 

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2 comments

  1. Ich war auch schon kurz vor dem Burnout. Zwillinge, 2 Vollzeitjobs, Kita-Zeiten reichten nicht aus. Jetzt haben wir 4 Kinder, 2 Jobs und eine Mitbewohnerin, die umsonst bei uns wohnt und uns im Alltag als Dankeschön kostenlos unterstützt. Das hat den entscheidenden Unterschied gemacht. Und unseren Kindern geht es auch besser. Sie haben eine weitere liebevolle feste Bezugspersonen und wir haben wertvolle Freiräume. Wollt ihr auch? Schaut mal. http://WWW.room-and-Care.com.

  2. ja da muss man sehr aufpassen. Vor allem, wenn man auf der Arbeit einen hohen Anspruch an sich selbst stellt. Beziehungsweise ja auch immer gestellt wird. Warum Meetings nach 14:00 Uhr überhaupt legal sind (wenn alle Beteiligten auch um 10:00 Uhr schon anwesend sind), erschließt sich mir immer noch nicht.
    Dazu kommt dann noch, dass die Großeltern oft nicht in der Nähe wohnen oder eben auch noch arbeiten gehen. Da steht man schnell mit den KiTa Zeiten alleine da. Und das wir dann schon knifflig.
    Das war für mich einer der Gründe, warum ich mich selbständig gemacht habe.

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