Kinder fernsehen

Fernsehen für Anfänger ODER: Warum mich brüllende Kinder völlig überfordern

Ich schrieb ja schon einmal darüber, mit welchen blauäugigen Grundsätzen ich an das Thema Kindererziehung herangegangen war. Ich spreche da von Ab-Hof-Biogemüse von veganen und probiotischen Feiland-Bauern in Bodennähe. Oder von pädagogisch kniffeligem Holzspielzeug gefertigt von heimischen Holzschnitzern der Region. Und natürlich von superintelligenten Kinderbüchern geschrieben von Pulitzerpreisträgerinnen in Elternzeit. Das Fernsehen stand natürlich auf der bösen Seite, aber dann entdeckte ich die Ruhe-bringende Wirkung der Barbapapas….

Es war einer dieser Tage, an dem die Sonne nicht aufgegangen war: Regnerisch heulte der Himmel große Tropfen und der Spielplatz war dementsprechend Sperrzone. Und obwohl unser Wohnzimmer mittlerweile wie der Vergnügungspark eines Möbelhauses aussieht, fingen Micky und Maus ohne ersichtlichen Grund, dafür mit umso mehr Lautstärke zu brüllen an. Wer beim Fernsehen arbeitet kennt den Fachbegriff: Stereo heißt das…

Ich konnte Micky nur schwer davon abhalten seinem Bruder einen blinkenden Plastik-Traktor an die Stirn zu werfen und sah währenddessen tatenlos zu, wie Maus gemächlich ein Wasserglas auf den Teppich kippte. Solche Szenen spielen sich wie in Zeitlupe ab. Auch wieder einer dieser Fernseh-Fachausdrücke… All das geschah nach einem unglaublich mühsamen Nachmittag mit unglaublich mühsamen Kindern beim noch viel mühsameren Kinderturnen.

Verdammt! Fernsehen funktioniert!

Unglaublich hilflos und genervt wanderte mein Blick durch das Wohnzimmer. Was tut eine Mutter in so einer Situation? Kurz aufs Klo gehen und die beiden ignorieren? Schimpfen und Taten setzen? Oder einfach ruhig bleiben?

RICHTIG! Ich machte das, was jede dem Nervenzusammenbruch nahe Mutter machen würde: Ich schaltete voller Verzweiflung den Fernseher ein. Eine Handlung die ich bisher nie gemacht hatte, die aber ihre Wirkung nicht verfehlte: Als die Melodie der Barbapapas aus den Lautsprechern ertönte, waren die kleinen Kindermünder plötzlich mucksmäuschenstill und die Augen hingen an den Figuren, die sich ändern können wie sie wollen: dünn oder dick, kurz oder lang. Eine nie enden wollende Woge an Erleichterung und Kindheitserinnerungen schwappte durch das Tränental. Diese Mischung aus Nostalgie und Ruhe machte mich innerlich glücklich und zufrieden. Es war so ruhig, dass man beinahe seine eigenen Gedanken wieder hören konnte – und ich muss sagen, dass das bei mir schon eine Zeit lang her ist …

Ich oute mich nun als Rabenmutter, aber die Familie Barbapapa ist seither bei uns Stammgast: Die Zwillinge dürfen jeden Abend vor dem Schlafengehen drei Folgen der unförmigen Kinderlieblinge anschauen. Und die besten Kinder von allen sich so ab 17.30 Uhr schon sichtlich nervös ob des bevorstehenden Abend-Kinos. Mein Mann und ich nennen das ganze nur noch „Plan B“ – den Namen „Barbapapa“ darf man nämlich in unserem Haushalt nicht mehr sagen. Denn dann stottern zwei Kinder aufgekratzt und beinahe gleichzeitig „Babaa – Barbaba – Papa – Barbapapa – Barbar“.

Sie laufen dann panisch vor den Fernseher und lassen alles andere liegen und stehen. Wehe dem, der nicht sofort die Fernbedienung findet – der ertrinkt im Gebrüll! Da schreien die beiden dann fordernd im Chor „Barbapapaaaaaaa!“ und stehen hüpfend vor dem TV-Gerät. Wir müssen die Wunderwaffe dann schnell anwerfen – sonst gibt es Krokodilstränen!

Der Schwiegerdrache flog kürzlich auf seinen monatlichen Besuch vorbei und erklärte hochtrabend: „Zwillinge sind doch ein Kinderspiel. Fernsehen? Das gab es bei uns damals nie! Ich muss zwar dann weg, aber eine Stunde kann ich schon aufpassen auf die Kleinen …“

Mein Mann und ich schauten uns in die Augen, atmeten tief ein – und wir beide wussten was zu tun war: Wir zogen uns an und kurz bevor wir die Türe ins Schloss zogen, raunte mein Mann nur ein einziges Wort: „Barbapapaaaaa!“

Wir lernen:
Sind die Kinder laut und schrei’n
muss es manchmal Fernsehen sein. 

11 comments

  1. Tinkabell werde ich dann bei meinen Jungs auch probieren…. ;)

  2. Unterschreibe ich. Besser, sie gucken fern, als man schreit sie an oder verliert anderweitig die Nerven. Meine Kinder dürfen viel ferngucken, sie werden davon nicht blöd, und ich hätte so manche Deadline nicht einhalten können ohne TV-Berieselung der Kleinen. Manchmal ist das die beste Lösung.

  3. Erst jetzt Deinen Blog entdeckt!!, wie kommt das? genial ist er – Gratulation!!!

    Nachdem ich ja jetzt auch 2 hab die gerne mal gleichzeitig brüllen, ist meine Taktik kurz vorm Nervenzusammenbruch: die Wimmenbücher-Apps am iPad! Da könnte der „Große“ stundenlang davor sitzen! Aber bitte sag mir: wie bekommst du die 2 dann vorm Fernseher weg? Wenn ich das iPad wegräumen will gibt’s großen Protest!

  4. Bin zufällig auf deinen Blog gestossen und fühlte mich augenblicklich 16 Jahre zurückversetzt! Mann, was war ich überfordert mit einem 2jährigen und dann noch Zwillingsbuben! – Aber, man wächst mit der Herausforderung und mittlerweile sind alle drei wunderbar geraten und mir weit über den Kopf gewachsen! Also nicht aufgeben! Die Zeit arbeitet für dich und die hellen, freudigen Tage werden immer mehr werden! Alles Gute! Bettina

  5. Ja, hier gibt’s auch den unpädagogischen Glotzenteufel. Ne halbe Stunde ca. – eine kleine Sendung und den Sandmann. Sie schalten danach sogar selber aus. Haben einen Festplattenreceiver, der nimmt für uns auf, so sind wir nicht an Zeiten gebunden. :)

  6. Meine Kinder gucken auch Fernsehen oder kleine Sendungen auf youtube. Wir haben nen Stapel DVD s mit meinen alten Lieblingskinderserien. Michel, Pipi, Maja und Co. Super! Ich bin doch nicht irre und reibe mich auf, wenn man mit ner halben Stunde TV Entspannung für alle erzeugen kann. Danach geht’s ja schon wieder besser.
    Mit spielen auf den ipad bin ich vorsichtig. Das gibt bei 3 Kindern grundsätzlich Streit wer dran ist.

  7. Fernsehen ist ja auch kein Verbrechen oder absolut ungesund. Ich sehe da wirklich nichts verwerfliches dran. Sehr interessanter Artikel :)

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