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Esst euer Eis auf, sonst gibt es keine Pommes…

»Tut mir leid, das musst du ohne mich machen«, hörte Katja, als sie ihrer Jugendliebe von der Zwillingsschwangerschaft erzählte. Seitdem schlägt sich Katja solo durchs Leben — mit Humor und Pragmatismus. „Esst euer Eis auf, sonst gibt es keine Pommes“, heißt ihr eben erschienenes Buch. Eine Zwillingsmama und Autorin im Interview über das „bisschen Haushalt“, Instant-Babybrei und Kinderkacke…

 

Liebe Katja, wie bist du auf die Idee zum Buch bekommen?

Eigentlich wollte ich schon lange ein Buch über das Alleinerziehen schreiben. Als ich vor 12 Jahren plötzlich als alleinerziehende Mutter von Zwillingen dastand, habe ich nach Büchern gesucht, mit denen ich mich identifizieren konnte und nichts gefunden. Es gab auch noch keine Blogs und nur vereinzelte Einträge in Foren.

Ich hatte nur diffuse Vorstellungen vom Alleinerziehen und alle waren defizitär behaftet. Irgendwann habe ich gedacht, wieso ist das eigentlich so, dass man immer Scheitern mit unserer Lebensform assoziiert, obwohl die meisten von uns sehr erfolgreich im Leben stehen. Natürlich ist es hart Kinder alleine großzuziehen, aber ich hatte viele schöne Momente mit meinen Kindern und den vielen Menschen, die mich unterstützt haben. Darüber wollte ich auch schreiben und im Idealfall ein paar anderen Frauen Mut machen: Auch, wenn ihr euch die Situation, wie sie jetzt ist, niemals ausgesucht hättet, ihr könnt glücklich mit ihr werden könnt.

Was ist die spezielle Herausforderung beim Alleinerziehen von Zwillingen?

Ich glaub die größte Herausforderungen ist für alle Alleinerziehende natürlich das finanzielle Überleben. Wie schaffe ich es al eine Person, genug Geld zu verdienen und gleichzeitig meine Kinder zu betreuen? Okay, bei Zwillingen ist es extremer, weil teure. Man muss ja alles doppelt kaufen, nichts kann vererbet werden: Zwei Paar Winterstiefel, zwei Laufräder, zwei Schlittschuhe etc. Natürlich hatte ich am Anfang auch Panik. Kann ich überhaupt beide Kinder beruhigen, wenn sie weinen? Ich bilde mir ein, meine Kinder haben immer gespürt, dass ich das nicht leisten kann. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie gleichzeitig Alarm schlugen.  Außerdem bin ich, entgegen meinem Naturell sehr organisiert vorgegangen.  Zum Beispiel: Wachte ein Kind in der Nacht auf, weckte ich das andere, um sie gemeinsam zu stillen. Das ist natürlich nicht gerade romantisch, aber ich musste drauf achten, meine Reserven zu schonen.

Ich denke oft, dass Zwillinge das Beste waren, was mir passieren konnte. Da ist man nicht so extrem aufeinander fixiert. Es ist immer laut und lebhaft. Als sie kleiner waren, spürten die beiden, dass sie nicht alleine waren, wenn ich mal nicht da war. Jetzt kann ich sie eher mal alleine lassen, denn sie sind ja immer zu zweit. Außerdem habe ich viel mehr Hilfsangebote und Anerkennung von meiner Umwelt bekommen, als Frauen mit nur einem Kind. Einfach, weil alle dachten:“ Oh nein, wie soll sie das denn schaffen?“

 

Was kannst du Frauen in ähnlicher Situation raten?

Wie bei allen Dingen im Leben, ist das Wichtigste die Situation zu akzeptieren. Leichter gesagt, als getan. Ich selber habe viel zu oft gedacht: „Ja, ist schon alles gut, aber es wäre noch viel besser, wenn der Vater hier wäre und wir eine richtige Familie wären“ Ich glaube das liegt daran, dass das Ideal Kernfamilie Mama, Papa, zwei Kinder so sehr in unser Bewusstsein eingebrannt ist. Ich würde anderen Frauen wünschen, dass sie sich die schönen Momente nicht versauen lassen. Ich bin überzeugt, Kinder alleine zu erziehen,  birgt auch eine Chance zu wachsen. Die meisten alleinerziehenden Frauen, die ich kenne sind sehr stark und weniger festgefahren als Frauen, die gemeinsam mit dem Vater erziehen. Jeder Tag ist ein neues Abenteuer, das ist irrsinnig anstrengend aber birgt auch Freiheiten. Eine Freundin hat mir mal gesagt, ich hätte ihr gezeigt, dass alles möglich ist. Das fand ich schön und es stimmt irgendwie auch. Ich habe nie gedacht, oh nee, das geht jetzt nicht, weil ich habe ja die zwei Kinder. Natürlich geht nicht alles, aber ich finde, erst einmal muss man sich davon freimachen und überlegen, gibt es nicht vielleicht doch eine Möglichkeit?

Gibt es auch Vorteile am Alleinerziehend sein?

Ich würde sagen, das kann man nicht verallgemeinern und hängt von der Lebenssituation ab. Aber natürlich, zum Beispiel die Selbstbestimmtheit. Sich nicht absprechen zu müssen, Entscheidungen alleine treffen zu können. Die Kehrseite hiervon ist, dass man immer die volle Verantwortung trägt. Ich habe mir oft gewünscht, dass mal jemand sagt: Hey, ich kümmere mich drum. Ich glaube außerdem wir Alleinerziehenden haben oft eine innigere Beziehung zu unseren Kindern. Unser Fokus ist mehr bei ihnen, wir müssen es nicht gleichzeitig einem Partner Recht machen. Ich kann schwer sagen, ob ich in einer Partnerschaft glücklicher geworden wäre. Das heißt nicht, dass es auch heute noch Momente gibt, wo ich traurig bin, oder mich ärgere und denke Menno, das ist sooo ungerecht. Dann gucke ich mir die Paare um mich herum an und denke, nee, mit denen willst du auch nicht tauschen. Die haben halt andere Probleme. Familie ist einfach eine Mega-Herausforderung für die meisten Menschen.

Was muss sich deiner Meinung nach ändern?

Ich wünsche mir, dass alle Familienformen in unserem Staat gleich gefördert werden. Leider ist das 2017 noch nicht der Fall. Es wird immer noch gewertet und gibt Familienformen erster und zweiter Klasse. Als alleinerziehende arbeitende Mutter zahle ich im Zweifel mehr Steuern, als verheiratete Paare ohne Kinder, die vom Splitting profitieren. Das war mir früher nie bewusst und ich glaube, das geht den meisten Menschen so, bis sie in die Situation kommen.  Ich bin sehr froh, dass wir zum ersten Mal eine Familienministerin haben, die uns Alleinerziehende auf der Agenda hat. Die Begrenzung des Unterhaltsvorschusses war eine absurde Reglung die endlich abgeschafft wurde. Seit diesem Jahr bekommen nun viele Frauen und einige Männer, dadurch die Möglichkeit, aus dem Aufstocken herauszukommen. Das ist immerhin ein Anfang, der auch den Frauen und Organisationen zu verdanken ist, die sich für unsere Rechte einsetzen. Ich habe den Eindruck, in den letzten Jahren tut sich etwas und wir Alleinerziehenden lassen uns nicht mehr so schnell in die Randgruppenecke drängen.  Das ist gut, denn ich bin überzeugt, wir müssen selber etwas unternehmen, um unser Image zu ändern. Jede einzelne von uns. Wir sollten selbstbewusster auftreten, unsere Leistungen mehr im Blick haben, als unser Defizit. Das ist nicht einfach, weil wir natürlich oft ausgepowert sind. Aber nur so kann sich auf Dauer etwas ändern.

 

Liebe Katja, danke fürs Interview

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