Die Zeit in der Schule ist herausfordernd. Im Verlauf der Schuljahre merkt jedes Kind, dass niemand alles kann. Jeder hat einen Bereich oder ein Fach, das vielleicht nicht das stärkste ist. Kinder, die Probleme beim Lesen- und Schreibenlernen haben, fühlen sich häufig in vielen Fächern schwach. Denn Lesen und Schreiben bilden die Grundlage für den meisten Lernstoff und ohne das ist die Teilhabe am Unterricht sehr schwierig.
Was ist eine LRS?
Legasthenie bzw. Lese-Rechtschreibstörung (LRS) bezeichnet gravierende Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und/oder Schreibens und ist die am meisten verbreitete Lernstörung im Grundschulalter.
Laut aktuellen Studien leiden etwa 5-10 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung (und damit 4-8 Millionen Menschen) an einer LRS. Wichtig ist, dass eine LRS nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun hat. Aus diesem Grund spricht man auch von einer „Teilleistungsstörung“: die Schwierigkeiten sind begrenzt auf den Bereich des Lesens und Schreibens, andere Bereiche sind nicht betroffen.
Ursachen für eine LRS
Die genauen Ursachen für eine LRS sind noch nicht abschließend erforscht. Erwiesen ist aber, dass genetische Faktoren eine LRS begünstigen: etwa die Hälfte aller Kinder mit LRS haben mindestens einen Elternteil, der auch von LRS betroffen ist. Während Legasthenie in den ersten Schuljahren oft nicht eindeutig diagnostiziert werden kann, gibt es jedoch Anzeichen, die auf Legasthenie hinweisen können:
- Auffälligkeiten beim Lesen
- Stockendes Lesen
- Buchstabierendes Lesen
- Auslassen von Wörtern und/oder Buchstaben beim Lesen
- Vertauschen von Buchstaben
- Schwierigkeiten beim Verständnis des Gelesenen
- Probleme bei der Silben-Zerlegung
- Verwechseln von optisch ähnlichen Buchstaben (zum Beispiel: „p-q“, „m-w-v“, „b-d“)
- Auffälligkeiten beim Schreiben
- Vertauschen von Buchstaben
- Häufige Rechtschreibfehler
- Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Buchstabenreihenfolge (zum Beispiel: „Faulm“ statt „Flaum“, „Anlasse“ statt „Anlass“)
- Starke Variation der Schriftgröße innerhalb eines Textes
Zehn Tipps für Eltern und Kinder
10. Frühe Diagnose
Wenn ihr den Verdacht habt, dass euer Kind eine LRS hat, ist eine frühzeitige Diagnose durch Fachkräfte wie z.B. Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten wichtig. Bei der ersten Orientierung kann ein Selbsttest hilfreich sein. Fragt auch in der Schule nach, ob Besonderheiten beim Lesen und Schreiben aufgefallen sind.
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9. Individuelle Unterstützung in der Schule
Bestätigt sich der Verdacht und es liegt eine LRS vor, ist auch hier der Austausch mit der Schule der nächste wichtige Schritt. Besprecht mit den Fachkräften, wie ihr euer Kind gemeinsam unterstützen könnt. Ein wichtiger Punkt ist dabei ein passender Nachteilsausgleich. Dieser soll den Nachteil, den euer Kind in der Schule durch die Lernstörung hat, ausgleichen (wie der Name schon sagt). Wie genau dieser Nachteilsausgleich – in Deutschland – aussehen kann, könnt ihr im Legasthenie Erlass eures Bundeslandes nachlesen.
8. Hausaufgaben
Kinder, die von einer LRS betroffen sind, empfinden Hausaufgaben häufig als Belastung. Sie beanspruchen viel Zeit und Energie, da das Lesen und Schreiben sehr schwer fällt. Besprecht mit den Fachkräften in der Schule, wie die Hausaufgaben für euer Kind aussehen könnten, damit es sie möglichst alleine bewältigen kann. TIPP: Versucht ein Hausaufgaben Tagebuch zu führen und die täglichen Herausforderungen, den Zeitaufwand oder auch Erfolge festzuhalten. Probiert aus, was für euch am besten funktioniert. Lasst Fehler und somit Wachstum zu und beobachtet kleine Fortschritte.
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7. Passende Förderung
Lasst euch beraten zu den Angeboten zur LRS Förderung an eurer Schule. Zudem gibt es die Möglichkeit, außerschulische Angebote zu nutzen, wie Nachhilfe oder Lerntherapie. WICHTIG: Obwohl Nachhilfe und Lerntherapie beide auf die Förderung des Lernens abzielen, verfolgen sie unterschiedliche Ansätze und Ziele. Nachhilfe hat das Ziel, schulische Lücken zu schließen und den aktuellen Schulstoff zu festigen. Lerntherapie ist ein umfassender, auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittener Ansatz, der darauf abzielt, grundlegende Lernfähigkeiten zu fördern und Entwicklungsstörungen zu behandeln. Lerntherapeut:innen arbeiten gezielt mit Kindern, die nicht nur Schwierigkeiten im aktuellen Schulstoff haben, sondern auch grundlegende Probleme in Bereichen wie Lesen und Schreiben oder Rechnen aufweisen.
6. Regelmäßiges Training zu Hause
Geduld und regelmäßiges Üben sind entscheidend. Gemeinsam lesen oder vorlesen kann helfen, das Leseverständnis zu fördern und den Druck herauszunehmen. Kurze, kindgerechte Texte und spannende Geschichten können die Lesemotivation steigern. Auch Blitzlesen ist ein kurzweiliges und effektives Training. Beim Schreiben helfen gezielte Übungen zum genauen Abhören der Wörter und zu den Rechtschreibregeln. Lasst euch zu passenden Übungen beraten!
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5. Organisation
Plant Lernzeiten gemeinsam, damit dein Kind lernt, wie man sich selbst organisieren kann. Dies fördert die Eigenverantwortung und das Zeitmanagement deines Kindes und es lernt, sich selbst besser einzuschätzen: Was brauche ich, damit ich gut lernen kann? Zu welcher
Tageszeit lerne ich am besten?
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4. Geduld ist der Schlüssel
Jedes Kind lernt in seinem eigenen Tempo. Vergleiche dein Kind nicht mit anderen Kindern im gleichen Alter!
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3. Positive Verstärkung
Schenke deinem Kind Anerkennung für seine Fortschritte und seine Anstrengungsbereitschaft. Auch kleine Erfolge sollten gefeiert werden, um das Selbstbewusstsein zu stärken. So lernt dein Kind, dass Lesen und Schreiben Spaß machen kann, auch wenn es schwierig ist.
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2. Hilfsmittel nutzen
Es gibt verschiedene Hilfsmittel, die Kindern mit LRS helfen können, wie beispielsweise farbige Lesezeichen, die das Auge führen, oder spezielle Lern-Apps. Diese unterstützen das Lernen auf eine spielerische Weise. Der Bundesverband für Legasthenie gibt dazu Empfehlungen:
1. Vernetzt euch mit anderen Betroffenen und tauscht euch aus, ihr seid nicht alleine!
Gespräche mit anderen Eltern in eurer Situation können entlastend wirken und Verbundenheit stärken. Eine Möglichkeit ist die Junge Aktive im BVL.
Über die Expertin
Julia ist integrative Lerntherapeutin gemäß den Standards des Fachverbandes für integrative Lerntherapie (FiL) und arbeitet bei den Worthelden. Seit mehr als sechs Jahren unterstützt sie erfolgreich Kinder und Jugendliche, die an Legasthenie leiden, durch maßgeschneiderte eins zu eins Lerntherapie.
Julia legt großen Wert auf einen individuellen Ansatz, der die einzigartigen Bedürfnisse jedes Kindes berücksichtigt und darauf abzielt, sowohl die schulischen Fähigkeiten zu stärken als auch das Selbstvertrauen und die Freude am Lernen wiederherzustellen.