+++TRIGGERWARNUNG +++
Wenn man ein Baby bekommt, wird der Begriff „Wunder“ oft verwendet, manchmal sogar überstrapaziert. In Patricias Fall gibt es aber keinen Begriff, der ihre Schwangerschaft besser beschreiben würde, denn sie hat ihren ersten Sohn bekommen – trotz der Pille danach und eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs. Wir haben mit Patricia über ihre unglaubliche Story und ihr Wunder gesprochen.

Liebe Patricia, bitte stell dich kurz vor.
Wie schön, du bist bald dreifache Mama, herzlichen Glückwunsch! Schauen wir zurück, erzähl uns bitte von 2021, von deiner ersten Schwangerschaft.
Genau, ganz lieben Dank. 2021 war ein wirklich prägendes Jahr für mich. Das erste Mal schwanger sein ist glaube ich für viele Frauen aufregend, spannend und neu. Natürlich aber je nach Schwangerschaftssymptomen und Umständen auch nicht immer leicht. Für mich war es DIE absolute Achterbahnfahrt. Es ist schon nicht ohne, nach einem Abbruch intakt schwanger zu bleiben und zu wissen, all die Ängste, einfach alles, was Grund für diesen Abbruch war kann nicht mehr umgangen werden und muss sich jetzt gestellt werden, da eine Adoptionsfreigabe für mich nicht in Frage kam. Aber dann die Frage, wie wird es ausgehen, wie wird man selbst damit fertig? Und das schlimmste, erst mal bangen ob das eigene Baby, was schon so viel überstanden hat gesund sein wird. Die Abbruchmedikamente und meine chronischen Medikamente, die eigentlich nicht schwangerschaftstauglich sind, hätten so einiges anrichten können. Das Glück war aber auf unserer Seite . Ansonsten war ich leider viel krank und habe viel an meinem Mindset gearbeitet, also mich auch darum gekümmert, psychische Unterstützung zu haben.
Du musst damals sehr verzweifelt gewesen sein, als der Schwangerschaftstest trotz Pille danach positiv war.
Die Verzweiflung war wirklich groß, ich glaube, ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so hilflos gefühlt. Einerseits habe ich es schnell gemerkt, irgendwo, war mir bewusst, dass die Pille danach nicht ihren Zweck erfüllt haben wird. Meine Tage blieben aus, ich hatte starke Morgenübelkeit, aber diesen positiven Test zu sehen, hat mich sofort innerlich zerrissen und ich habe wirklich vor Schmerz geschrien und bin auf den Boden gesackt, saß und habe geheult. Leider weiß ich auch gar nicht mehr so viel von der Zeit danach, praktisch wie ein Blackout bis zu dem Punkt, als mein Mann nach Hause kam und ich ihm unter Tränen erzählte, was los ist. An dem Punkt waren wir bereits 8 Jahre zusammen und haben eigentlich nie Kinder geplant.
Was waren die Gründe, warum du dich für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch entschieden hast?
Mir war natürlich bewusst, dass es auch nicht leicht oder irgendwie positiv ist, aber eine Operation war für mich das noch größere Übel. Narkose = Kontrolle abgeben, etwas, was für mich schon gar nicht gut geht und selbst mit örtlicher Betäubung eine schwere Vorstellung.
Hast du diese Entscheidung alleine getroffen oder gemeinsam mit dem Vater des Kindes? Wie hat dein Umfeld auf deine Entscheidung reagiert?
Wenn du an den Tag des Abbruchs zurück denkst, wie war das für dich?
Wann genau hast du gemerkt, dass du – trotz Abbruchs – noch immer schwanger bist?
Gemerkt, dass ich noch schwanger bin, habe ich praktisch gar nicht. Mir war bewusst, dass irgendwas nicht stimmt, weil ich einfach keine wirklich Abbruchblutung hatte, da war eine ganz leichte Schmierblutung. Erst habe ich gewartet, dachte es braucht vielleicht ein paar Tage bis es losgeht. Alle Schwangerschaftssymptome sind verschwunden und per se, wusste ich auch nicht, dass das, was mich erwarten wird passieren kann. Online habe ich nur gefunden, dass sich manchmal Dinge verwachsen können, oder, wenn Dinge schief gehen, nochmals eine Operation durchgeführt werden muss. Meine Kontrolle hatte sich stark verschoben. Der Eingriff war in einer gesonderten Praxis, die Kontrolle sollte 1 Woche später bei meiner regulären Frauenärztin stattfinden. Diese war im Urlaub, die Vertretung konnte ich nicht erreichen telefonisch und zu Corona durfte man ja nicht einfach zum Arzt hingehen. Ich weiß auch nicht wieso, aber der simple Gedanke, mich mal bei der Praxis zu melden, wo ich den Abbruch hatte, kam mir nicht in den Sinn. Also wartete ich den Urlaub ab, wartete dann einige Tage auf die vergessene Rückmeldung meiner Praxis, bis wir es dann irgendwann schafften. Und bei dem viel zu späten Kontrolltermin habe ich durch nicht mal meine Frauenärztin, sondern eine ihrer Kolleginnen erfahren, dass ich noch schwanger war – auf dem tollen, typischen Frauenarztstuhl, mit der Aussage „Ich kann Füße sehen“.
Was waren deine ersten Gefühle? In welcher Schwangerschaftswoche warst du da?
Wir gingen danach praktisch direkt ins Bauchultraschall, weil sie natürlich auch schauen wollte, wie die Lage ist. Und dann sah ich diesen kleinen Menschen, ein ganzes Baby und mir blieb das Herz stehen, positiv stehen. Meine Ärztin klärte mich auf, dass ich noch Möglichkeiten, wie Adoptionsfreigabe und Babyklappe etc. habe. Aber das kam für mich nicht in Frage, wenn ich zu Hause einen Mann sitzen habe, der diesen kleinen Menschen doch von Anfang an haben wollte und ich in all meiner Angst und Überforderung, plötzlich dieses Kribbeln im Bauch hatte.

Wie ist die weitere Schwangerschaft verlaufen? Mit welchen Gefühlen hast du gekämpft?
Wie gesagt, war es die komplette Achterbahnfahrt. Die ersten Wochen war ich irgendwie dauerhaft aufgeregt, weil ich irgendwie versucht habe zu begreifen, was da gerade eigentlich alles passiert. Ich wusste ich muss mich JETZT in den Griff bekommen, ich muss meine Psyche JETZT in den Griff bekommen, denn die Angst, wegen meiner kaputten Gesundheit mein Kind zu versauen, hatte kein Entkommen mehr und ich MUSS JETZT alles aus mir rausholen, verbessern, verarbeiten und verändern was ich kann, damit meine Sorgen nicht wahr werden oder so wenig wie möglich.
Dann war die Angst sehr präsent, ob mein Kind überhaupt richtig gesund sein wird. Unsere zwei Pränataluntersuchungen waren erleichternd und soweit gut, etwas Sorge blieb aber trotzdem bis zur Geburt. Im großen und ganzen konnte ich mich aber auch auf alles freuen und habe gemerkt, dass ich schon eine gewisse Verbindung und Gefühle aufbauen konnte zu meinem Baby. Hochachtung vor ihm fühlte ich stark.
Wie war die Geburt und das Wochenbett? Wie hast du mit der Vorgeschichte in deine Mamarolle gefunden?
Die Geburt war lang und anstrengend. Vor meinem eigentlichen Wunschkaiserschnitt, wurde ich so toll beraten und unterstützt, dass ich mich wenige Wochen vor ET entschied, es doch spontan zu versuchen, was auch funktioniert hat und ich glaube für mich ein wichtiger Ankerpunkt war. Denn ICH habe eine Geburt geschafft, das hatte ich mir niemals zugetraut. Jede Geburt ist richtig und wichtig, ob spontan oder Kaiserschnitt, das möchte ich an dieser Stelle aber erwähnen!

Wirst du deinem Kind später von dem versuchten Abbruch erzählen?
Schon bevor wir uns dazu entschieden haben, öffentlich auf das Thema aufmerksam zu machen, stand für uns fest, wir werden da auf keinen Fall ein Geheimnis daraus machen. Für uns ist unser Kind ein Wunder, unser Leben, unser Glück und er darf erfahren, welche wichtige Rolle er bei uns spielt. Er darf wissen, was er da schon in meinem Bauch geleistet hat und wie besonders er ist. Er selbst war zu keiner Sekunde ungewollt, es ging von Anfang bis Ende nur darum, dass ich dachte ich wäre allem nicht gewachsen.
Wie stehst du heute zum Thema? Was würdest du einer Freundin raten, die ungewollt schwanger geworden ist?
Zu dem Thema Abbruch stehe ich immer noch gleich, ich finde die Möglichkeit wichtig und richtig. Das ist nichts Schönes, das behauptet auch niemand, aber es kann einfach für ganz viele Menschen hilfreich sein.
Das ist sehr situationsabhängig und jeder kann andere Gründe empfinden für oder gegen eine Schwangerschaft. Deswegen würde ich einfach versuchen in der Findung der Entscheidung zu unterstützen, damit meine Freundin die für sie hoffentlich richtige Entscheidung treffen kann.
Frauen, die ungewollt schwanger werden, werden mit ihren Sorgen nicht allein gelassen, sondern können sich an folgende Beratungsstellen wenden:
Deutschland
ProFamilie
Beratungsstellen
Österreich
Familienberatungsstellen
Frauengesundheitszentren
Onlineberatung der Caritas
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