Triggerwarnung: Schwanger trotz Pille Danach und Abbruch und jetzt glücklich

+++TRIGGERWARNUNG +++

Wenn man ein Baby bekommt, wird der Begriff „Wunder“ oft verwendet, manchmal sogar überstrapaziert. In Patricias Fall gibt es aber keinen Begriff, der ihre Schwangerschaft besser beschreiben würde, denn sie hat ihren ersten Sohn bekommen – trotz der Pille danach und eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs. Wir haben mit Patricia über ihre unglaubliche Story und ihr Wunder gesprochen.

 
Bald ist Patricia Mama von drei Kindern.

Liebe Patricia, bitte stell dich kurz vor.

Mein Name ist Patricia, ich bin 27 Jahre alt und komme aus dem Ruhrgebiet. Ich bin seit einem Jahr verheiratet, allerdings schon 11 Jahre mit meinem Mann und ersten Partner zusammen und wir erwarten unser drittes Kind.

Wie schön, du bist bald dreifache Mama, herzlichen Glückwunsch! Schauen wir zurück, erzähl uns bitte von 2021, von deiner ersten Schwangerschaft.

Genau, ganz lieben Dank. 2021 war ein wirklich prägendes Jahr für mich. Das erste Mal schwanger sein ist glaube ich für viele Frauen aufregend, spannend und neu. Natürlich aber je nach Schwangerschaftssymptomen und Umständen auch nicht immer leicht. Für mich war es DIE absolute Achterbahnfahrt. Es ist schon nicht ohne, nach einem Abbruch intakt schwanger zu bleiben und zu wissen, all die Ängste, einfach alles, was Grund für diesen Abbruch war kann nicht mehr umgangen werden und muss sich jetzt gestellt werden, da eine Adoptionsfreigabe für mich nicht in Frage kam. Aber dann die Frage, wie wird es ausgehen, wie wird man selbst damit fertig? Und das schlimmste, erst mal bangen ob das eigene Baby, was schon so viel überstanden hat gesund sein wird. Die Abbruchmedikamente und meine chronischen Medikamente, die eigentlich nicht schwangerschaftstauglich sind, hätten so einiges anrichten können. Das Glück war aber auf unserer Seite . Ansonsten war ich leider viel krank und habe viel an meinem Mindset gearbeitet, also mich auch darum gekümmert, psychische Unterstützung zu haben. 

Du musst damals sehr verzweifelt gewesen sein, als der Schwangerschaftstest trotz Pille danach positiv war.

Die Verzweiflung war wirklich groß, ich glaube, ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so hilflos gefühlt. Einerseits habe ich es schnell gemerkt, irgendwo, war mir bewusst, dass die Pille danach nicht ihren Zweck erfüllt haben wird. Meine Tage blieben aus, ich hatte starke Morgenübelkeit, aber diesen positiven Test zu sehen, hat mich sofort innerlich zerrissen und ich habe wirklich vor Schmerz geschrien und bin auf den Boden gesackt, saß und habe geheult. Leider weiß ich auch gar nicht mehr so viel von der Zeit danach, praktisch wie ein Blackout bis zu dem Punkt, als mein Mann nach Hause kam und ich ihm unter Tränen erzählte, was los ist. An dem Punkt waren wir bereits 8 Jahre zusammen und haben eigentlich nie Kinder geplant. 

Was waren die Gründe, warum du dich für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch entschieden hast? 

Gründe gab es generell einige bei mir. Zum einen war noch nie Kinderwunsch bei mir vorhanden, zum anderen viel mir leider schon immer der Umgang mit Kindern schwer. Vor allem aber, war ich fest überzeugt, keine Schwangerschaft und keine Mutterschaft zu packen auf Grund meiner psychischen Erkrankungen. Ich war fest überzeugt, dass alles nicht zu packen, auch, wenn es mir weh tat, den Weg eines Abbruchs zu gehen. Für den medikamentösen Abbruch entschied ich mich, weil ich vor diesem irgendwie etwas weniger Angst hatte. 

Mir war natürlich bewusst, dass es auch nicht leicht oder irgendwie positiv ist, aber eine Operation war für mich das noch größere Übel. Narkose = Kontrolle abgeben, etwas, was für mich schon gar nicht gut geht und selbst mit örtlicher Betäubung eine schwere Vorstellung. 

Hast du diese Entscheidung alleine getroffen oder gemeinsam mit dem Vater des Kindes? Wie hat dein Umfeld auf deine Entscheidung reagiert?

Mein Mann, also der Vater des Kindes, und ich haben die Entscheidung zusammen getroffen. Dazu muss ich aber auch sagen, wir haben darüber gesprochen und auch ein paar Tage nachgedacht, zusammen als auch alleine und uns am Ende noch mal ausgetauscht um zusammen zu entscheiden. Ich habe einen unfassbaren Partner an meiner Seite, denn, er hätte es von vorne rein gerne versucht. Er wollte das Baby eigentlich gerne behalten, hat sich aber für mein Wohl dafür entschieden, dass wir den Abbruch machen und mich komplett unterstützt. Auch wenn ich den Abbruch wollte, tat es mir im Herzen weh, weil es für mich nie nur um einen „Zellhaufen“ ging. Es brach mir noch mehr mein Herz, meinem Mann seinen Wunsch nicht ermöglichen zu können, gleichzeitig war ich ihm so dankbar für seine Rücksichtnahme. 
Unser Umfeld haben wir kaum involviert, da wir uns nicht beeinflussen lassen wollten und ich auch ehrlich gesagt sehr große Angst vor Ablehnung hatte, beziehungsweise ist Ablehnung nicht ganz richtig, eher die Enttäuschung, enttäuscht von mir zu sein. Der Bruder meines Mannes wusste davon und war da glaube ich für den Moment ein wichtiger Ansprechpartner für ihn. 

Wenn du an den Tag des Abbruchs zurück denkst, wie war das für dich? 

Der Tag des Abbruchs war alles andere als leicht. Ich musste an zwei Tagen zur Praxis, aber der zweite ist ja praktisch der ausschlaggebende. Nach der Einnahme, war ich schon stark erleichtert und gleichzeitig war mein Kopf voll, voller Gedanken, voller Schuld und Trauer. Das schlechte Gewissen, dass dieses Wesen nur nicht in diese Welt kann, weil ich zu unfähig bin, war dauerpräsent. Ich habe sehr viele Gespräche in meinem Kopf mit dem Wesen geführt und mich entschuldigt, immer wieder gesagt, dass es nicht seine Schuld ist und ich mir wünsche, dass wir uns vielleicht irgendwann auf einem anderen Weg, in einer anderen Welt oder so kennenlernen können. Habe ihm angeboten, dass es auf andere Weise bei mir bleiben kann, ich nur eben das richtige hier nicht packe. 
Eigentlich wurde ich nach dem Eingriff, beziehungsweise der zweiten Einnahme der Tabletten krank geschrieben, weil es ja zu sehr starken Blutungen kommen soll, hab mich aber in den Bus zur Arbeit gesetzt, weil ich nicht alleine zu Hause sein wollte, da mein Mann arbeiten war – am gleichen Arbeitsplatz wie ich. Während dieser Busfahrt bin ich noch auf ein Lied gestoßen von einer Band, die mir seit Jahren bekannt war, aber dieser Song nicht. Der hat mich noch mal mehr in meine negativen Gefühle gedrückt, dieser Text mit dieser Erfahrung die so frisch passiert (Anm.: Breaking Benjamin – Ashes of Eden).

Wann genau hast du gemerkt, dass du – trotz Abbruchs – noch immer schwanger bist? 

Gemerkt, dass ich noch schwanger bin, habe ich praktisch gar nicht. Mir war bewusst, dass irgendwas nicht stimmt, weil ich einfach keine wirklich Abbruchblutung hatte, da war eine ganz leichte Schmierblutung. Erst habe ich gewartet, dachte es braucht vielleicht ein paar Tage bis es losgeht. Alle Schwangerschaftssymptome sind verschwunden und per se, wusste ich auch nicht, dass das, was mich erwarten wird passieren kann. Online habe ich nur gefunden, dass sich manchmal Dinge verwachsen können, oder, wenn Dinge schief gehen, nochmals eine Operation durchgeführt werden muss. Meine Kontrolle hatte sich stark verschoben. Der Eingriff war in einer gesonderten Praxis, die Kontrolle sollte 1 Woche später bei meiner regulären Frauenärztin stattfinden. Diese war im Urlaub, die Vertretung konnte ich nicht erreichen telefonisch und zu Corona durfte man ja nicht einfach zum Arzt hingehen. Ich weiß auch nicht wieso, aber der simple Gedanke, mich mal bei der Praxis zu melden, wo ich den Abbruch hatte, kam mir nicht in den Sinn. Also wartete ich den Urlaub ab, wartete dann einige Tage auf die vergessene Rückmeldung meiner Praxis, bis wir es dann irgendwann schafften. Und bei dem viel zu späten Kontrolltermin habe ich durch nicht mal meine Frauenärztin, sondern eine ihrer Kolleginnen erfahren, dass ich noch schwanger war – auf dem tollen, typischen Frauenarztstuhl, mit der Aussage „Ich kann Füße sehen“.

Was waren deine ersten Gefühle? In welcher Schwangerschaftswoche warst du da?

Meine ersten Gefühle direkt nach dem Satz der Frauenärztin glichen einer negativen Überwältigung, ich fing sofort an zu heulen und versteckte mich hinter meinen Händen. Das war der Punkt, wo sie zum PC ging und mir auch erklärte, dass die 18. Schwangerschaftswoche erreicht sei und wir nichts mehr unternehmen dürfen. 
Also keine weiteren Maßnahmen durchführen, was in Deutschland normal bis zur 12. Woche klappt und deswegen die zeitnahe Kontrolle wichtig ist, aber so oder so war mir das trotz „Aufklärung“ von ProFamilia und dem Arzt nicht klar, weil irgendwie nie Thema war, was, wenn etwas schief. Man sprach von 97% Erfolg und das ist ja nicht wenig, also, machte ich mir keine weiteren Gedanken. 

Wir gingen danach praktisch direkt ins Bauchultraschall, weil sie natürlich auch schauen wollte, wie die Lage ist.  Und dann sah ich diesen kleinen Menschen, ein ganzes Baby und mir blieb das Herz stehen, positiv stehen. Meine Ärztin klärte mich auf, dass ich noch Möglichkeiten, wie Adoptionsfreigabe und Babyklappe etc. habe. Aber das kam für mich nicht in Frage, wenn ich zu Hause einen Mann sitzen habe, der diesen kleinen Menschen doch von Anfang an haben wollte und ich in all meiner Angst und Überforderung, plötzlich dieses Kribbeln im Bauch hatte.

Patricia während ihrer ersten Schwangerschaft

Wie ist die weitere Schwangerschaft verlaufen? Mit welchen Gefühlen hast du gekämpft?

Wie gesagt, war es die komplette Achterbahnfahrt. Die ersten Wochen war ich irgendwie dauerhaft aufgeregt, weil ich irgendwie versucht habe zu begreifen, was da gerade eigentlich alles passiert. Ich wusste ich muss mich JETZT in den Griff bekommen, ich muss meine Psyche JETZT in den Griff bekommen, denn die Angst, wegen meiner kaputten Gesundheit mein Kind zu versauen, hatte kein Entkommen mehr und ich MUSS JETZT alles aus mir rausholen, verbessern, verarbeiten und verändern was ich kann, damit meine Sorgen nicht wahr werden oder so wenig wie möglich.
Dann war die Angst sehr präsent, ob mein Kind überhaupt richtig gesund sein wird. Unsere zwei Pränataluntersuchungen waren erleichternd und soweit gut, etwas Sorge blieb aber trotzdem bis zur Geburt. Im großen und ganzen konnte ich mich aber auch auf alles freuen und habe gemerkt, dass ich schon eine gewisse Verbindung und Gefühle aufbauen konnte zu meinem Baby. Hochachtung vor ihm fühlte ich stark. 

Wie war die Geburt und das Wochenbett? Wie hast du mit der Vorgeschichte in deine Mamarolle gefunden?

Die Geburt war lang und anstrengend. Vor meinem eigentlichen Wunschkaiserschnitt, wurde ich so toll beraten und unterstützt, dass ich mich wenige Wochen vor ET entschied, es doch spontan zu versuchen, was auch funktioniert hat und ich glaube für mich ein wichtiger Ankerpunkt war. Denn ICH habe eine Geburt geschafft, das hatte ich mir niemals zugetraut. Jede Geburt ist richtig und wichtig, ob spontan oder Kaiserschnitt, das möchte ich an dieser Stelle aber erwähnen! 

Dann hatten wir das Glück, dass meine Hormone wunderbar mitgespielt haben und ich sofort positive Gefühle für mein Baby hatte. Ich war überwältigt von schönen Gefühlen, stolz auf mein Baby, stolz auf mich und meinem Mann. Vor dem Wochenbett hatte ich schon Angst, weil ich auf Grund meiner Psyche eigentlich sicher war, eine Wochenbettdepression zu bekommen. Auch hier hatte ich Glück und blieb verschont. Ich hatte eher ein ziemliches Hoch und war einfach so dankbar und glücklich, dass dieser kleine Mensch trotzdem zu uns gefunden hat. 
Obwohl ich nie was mit Kindern anfangen konnte und auch leider mit den Kindern aus meiner Familie nicht wirklich eine gute Verbindung habe, war das bei meinem eigenen Kind ganz anderes. Ich habe es geliebt, dieses kleine Wesen zu versorgen, verstehen und kennenzulernen. Mich erfüllt die Mamarolle sehr, auch heute noch, natürlich ist der Stressfaktor mittlerweile ein anderer, aber ich möchte nichts an unserer Situation verändern! 

Wirst du deinem Kind später von dem versuchten Abbruch erzählen?

Schon bevor wir uns dazu entschieden haben, öffentlich auf das Thema aufmerksam zu machen, stand für uns fest, wir werden da auf keinen Fall ein Geheimnis daraus machen. Für uns ist unser Kind ein Wunder, unser Leben, unser Glück und er darf erfahren, welche wichtige Rolle er bei uns spielt. Er darf wissen, was er da schon in meinem Bauch geleistet hat und wie besonders er ist. Er selbst war zu keiner Sekunde ungewollt, es ging von Anfang bis Ende nur darum, dass ich dachte ich wäre allem nicht gewachsen. 

Er wird unfassbar geliebt und das von der gesamten Familie! Wegen ihm hatten wir noch mehr Kinderwunsch, weil er so ein wunderbarer, perfekter Mensch ist. 
Natürlich werden wir das ganze behutsam angehen, da es trotzdem ein emotionales Thema ist und es wird natürlich alles Altersgerecht angepasst, je nach dem, wann es aufkommt.  

Wie stehst du heute zum Thema? Was würdest du einer Freundin raten, die ungewollt schwanger geworden ist?

Zu dem Thema Abbruch stehe ich immer noch gleich, ich finde die Möglichkeit wichtig und richtig. Das ist nichts Schönes, das behauptet auch niemand, aber es kann einfach für ganz viele Menschen hilfreich sein. 

Einer Freundin, aber jeder anderen Person eigentlich auch, würde ich raten, ganz besonders auf sich selbst zu hören! 
Ich bin jeden Tag dankbar für das, was uns widerfahren ist, aber, wäre mir das nicht genau so widerfahren, wäre ich sehr wahrscheinlich einfach immer noch in meinem Glauben, richtig entschieden zu haben für uns und auch das wäre voll in Ordnung. Ebenfalls wäre nicht unbedingt jeder glücklich am Ende damit rausgegangen.
Hilfreich sind Pro und Contra-Listen und sich Menschen anzuvertrauen um es sich alleine mal von der Seele zu reden. 

Das ist sehr situationsabhängig und jeder kann andere Gründe empfinden für oder gegen eine Schwangerschaft. Deswegen würde ich einfach versuchen in der Findung der Entscheidung zu unterstützen, damit meine Freundin die für sie hoffentlich richtige Entscheidung treffen kann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert