Symbolbild (pixxabay.de)

Gastbeitrag einer Mutter: „Warum Corona unser Familienleben bereichert hat“

„Krise ist ein produktiver Zustand. Mann muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“
(Max Frisch)

Eines vorweg: Wir sind priviligiert. Niemand in der Familie hat den Job verloren. Niemand ist am Virus erkrankt. Wir wurden „nur“ ins Homeoffice verbannt (einmal Vollzeitjob, einmal Teilzeijob) und haben in den letzten Wochen die Selbstisolation gewählt. Bei all den Artikeln die man so liest schäme ich mich fast zu sagen: Unser bisheriges Fazit der Krise ist eigentlich sehr positiv. 

Corona hat den Kindern und auch uns als Erwachsenen Essentielles fürs Leben gelehrt. „Wie reagiere ich in Krisensituationen?“ „Welche digitalen Möglichkeiten aber auch Schwachstellen haben wir zu Hause?“ „Und wie paniert man eigentlich ein Schnitzel?“ All diese Fragen durften unsere Kinder aus eigenem Antrieb erlernen und entdecken, ganz ohne strenges Korsett, ohne fixem Lehrplan und ohne fixe Arbeitszeiten. Wir genießen die Zeit mit unserem Nachwuchs sehr. Sie ist intensiv und lehrreich.

Die letzten Wochen haben sich mein Mann und ich im Homehoffice sehr eingehend mit unseren Kindern auseinandergesetzt. Das machen wir natürlich auch sonst. Aber in Zeiten von Corona klebt man ja quasi aufeinander. Den Job zu organisieren war Anfangs nicht ohne: Wer darf wann arbeiten? Aber wir haben es geschafft: Wir hatten quasi eine 1:1 Betreuung der Kinder, der Nachwuchs hat große Sprünge gemacht und viel gelernt: „Was ist ein Virus?“, „Wie funktioniert der Körper?“, „Warum muss ich auf etwas verzichten, damit es Anderen gut geht?“, „Wie reagiere ich in Krisensituationen?“ Corona hat am Praxisbeispiel sehr viel von uns verlangt, uns aber auch Vieles gelehrt. Und wir haben Dinge unternommen, die wir sonst vermutlich nicht so einfach gemach hätten: Statt am Spiel- oder Fußballplatz  abzuhängen waren wir Schnecken am Flussbett anschauen und haben im Garten Gemüse angepflanzt.

Keine Brotdosen mehr…

Im Gespräch mit anderen Eltern haben wir auch festgestellt, dass – obwohl natürlich viel Belastung bei den Familien hinzugekommen ist – auch Vieles an Stress wegen Corona weggefallen ist: Alleine das tägliche Bringen der Kinder in Schule und Kindergarten, das Packen der Brotboxen, das ewige: „Los, zieh dich an, wir sind schon spät!“ ist weggefallen. Außerdem hatten wir die Möglichkeit uns nach dem Biorhythmus der Kinder zu orientieren ohne ein Wecken um 6 Uhr in der Früh und ohne Stress beim Anziehen. Denn: Wir mussten ja nirgendwo hin. Unsere Arbeitszeiten im Homeoffice waren flexibel.

Wochenroutinen wie der Schwimmkurs, die Reistunden, der Tanzkurs, Networking-Termine für Blog und Arbeit fielen einfach weg. Und auch wenn wir uns sonst nicht sehr aufs Netzwerken versteifen, irgendwie hat man ja doch ein schlechtes Gewissen, wenn man nicht zum angesatesten Business-Event läuft oder zum Mittagessen mit den Kollegen hechtet, obwohl man längst die Kinder irgendwo abholen sollte, um sich dort mit den Müttern über das neueste pädagogisch wertvolle Spielzeug zu debattieren. Keine Pflichbesuche von und bei den Großeltern.

Da war und ist plötzlich so viel Freiheit!

Langsam wird alles wieder hochgefahren. Und ich spüre schon wieder den Druck anrollen. Da kommen die ersten Termine und der innere Antrieb: „Eigentlich sollte ich ja…“ Da kommt dieses schlechte Gewissen. Dieser ewige innere Kampf aus Verpflichtungen und Hamsterrad. Und so stellt sich mir die Frage: „Was lasse ich nach Corona wieder zurück in unser (Familien-)Leben?“

Über die Autorin dieses Beitrags

Caro lebt mit ihren zwei Kindern in einem kleinen Haus mit Garten. Sie arbeitet in Teilzeit, ihr Mann Vollzeit. Sie möchte anonym bleiben.

 

 

5 comments

  1. Liebe Caro,
    Ich habe deine Erfahrungen aus der Corona Zeit gelesen und es schön gefunden, dass es anderen auch so gegangen ist wie uns. Natürlich, auch wir waren privilegiert, hatten home office und ausreichend Computer und Platz. Wir haben viel gearbeitet, die Kinder haben eifrig gelernt – für sich selbst und nicht für Noten wohlgemerkt. Aber da war auf einmal Zeit – für uns, für gemeinsame Spaziergänge. Wir haben Löwenzahnsirup gemacht und unsere unmittelbare Umgebung erkundet. Und – wir wohnen mitten in der Stadt – die Luft war auf einmal klar, der Lärm war weg und die Stadt gehörte den BewohnerInnen und nicht den Autos. Ich weiss, das es ein Ausnahmezustand war und dass nicht alle diese Voraussetzungen hatten. Aber ich kann nicht verstehen dass alle möglichst schnell wieder zurück wollen: zur täglichen Hetze, zu Städten, in denen Autos den Lebensraum bestimmen, zu einer Lebensweise, die für uns alle auf Dauer nicht gut sein kann. Und ich kann das Wort „hochfahren“ schon nicht mehr hören…

  2. Hallo, danke für den Beitrag! Er zeigt nämlich: Man darf die positiven Seiten nicht außer Acht lassen. Das kann nicht jeder, aber wer in der riviligierten Lage ist, sollte nicht nur das Negative sehen.
    Schön, dass das neben mir auch noch andere so sehen.

    Grüße
    Verena

  3. Wundervolles Fazit. Ich sehe das auch so, weniger Termine, weniger Stress. Das Aufwecken der Kinder um 6 Uhr morgens ist auch für mich eine Crux. Mit Musik geht es aber leichter, das nur als Tipp am Rande.

    Alles Liebe,
    Ella

  4. Wer sich angesichts der menschlichen Tragödie was den Wehrlosesten, den Kindern, angetan wurde auch noch über die Corona-Zustände freut, dem ist nicht mehr zu helfen. Noch vor 5 Jahren hätte man euch zurecht die Kinder weg genommen

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