„Ihr Kind spielt da mit Flüchtlingskindern….“ Beitrag zur Blogparade #lautwerden

Heidefest 2015 in unserem beschaulichen Dorf. Der Ortskern ist bunt geschmückt, es gibt ein kleines Karussell, es duftet nach den verschiedensten Köstlichkeiten. Bunt geschminkte Kinder lachen und toben herum, Erwachsene plaudern und die Sonne scheint um dem ganzen noch einen besonders kitschigen Touch zu verleihen.

Ich schiebe die frisch geschlüpften Zwillinge durch die Reihen und halte den Thronfolger, damals gerade 2,5 Jahre alt, fest an der Hand. An einem Schminkstand hat er sich ein Tigergesicht ausgesucht und präsentiert stolz das bunte Kunstwerk unter seiner blonden Lockenpracht. Wir halten an einer Hüpfburg, die sofort begeistert geentert wird und ich nutze die Zeit um mich zu unterhalten. Auf der Hüpfburg toben und springen ungefähr 10 Kinder wild durcheinander und lachen und plaudern – ganz offensichtlich haben alle großen Spaß.

Ich winke zu meinem Sohn hinüber und schiebe den Zwillingswagen sanft hin und her, als ich unvermittelt von der Seite angesprochen werde. Eine Frau, adrett gekleidet, um die 60 Jahre alt, tritt an meine Seite und spricht leise, aber in ernstem Ton: „Entschuldigen Sie bitte… Ich glaube ihr Sohn spielt da gerade mit Flüchtlingskindern.“ Ich wende mich ihr zu, noch beschwingt vom schönen Ambiente des Festes und antworte: „Ja, toll, oder?“ Anstelle einer Antwort ernte ich einen strafenden Blick, ein Kopfschütteln und die Dame geht ihres Weges.

Was wir von unseren Kindern lernen können

Erst einige Momente später begreife ich, dass der Hinweis der Dame als Warnung gemeint war und ich blicke ihr fassungslos hinterher. Mein Blick schweift zurück zur Hüpfburg, auf der mein leuchtend blonder Sohn immer noch lachend Kunststückchen vorführt. Unter bunt geschminkten Tiergesichtern, glitzernden Masken und strahlenden Superhelden blitzt nur bei meinem Kind ein Stück helle Haut hervor. Ich höre Stimmengewirr und Wortfetzen auf englisch, französisch und arabisch. Alle Kinder unterhalten sich, niemand spricht die Sprache des andren, aber das ist völlig egal, denn sie verstehen sich trotzdem. Bin ich die einzige, die das wunderbar findet?

Dieses Erlebnis hat sich eingeprägt, denn es hat mich bedrückt und nachdenklich gemacht. Kinder unterscheiden nicht, sie bewerten nicht, sie sind von Natur aus tolerant und aufgeschlossen. Wie schaffe ich es, dass das auch so bleibt?

Was Erziehung für mich ist…

Erziehung bedeutet für mich, positive Werte vorleben – etwas zu zeigen prägt Kinder so viel mehr als ihnen nur zu erzählen, was sie tun oder lassen sollen. Ich wünsche mir, dass es für meine Kinder normal bleibt, dass Onkel Hough ganz braune Haut hat, obwohl er gar nicht so lange in der Sonne war. Dass die Kinder auf dem Spielplatz noch nicht so gut Deutsch sprechen, weil sie gerade erst aus einem anderen Land hergezogen sind. Ich möchte meinen Kindern zeigen, dass Onkel Mike und Onkel Sven verheiratet sind, weil sie sich so unglaublich lieb haben, genau wie Mama und Papa. Und dass es ein Privileg ist, dass wir in einem Land leben, in dem jeder lieb haben darf, wen er möchte.

Ich freue mich, wenn meine Kinder mit strahlenden Augen aufschauen, wenn unsere syrische Freundin ihnen auf Arabisch ein Ständchen zum Geburtstag singt und sie merken, die Melodie ist doch überall auf der Welt die Gleiche, Sprache spielt keine Rolle. Es berührt mich, wenn schon die Kleinen ein Gespür dafür haben, dass die kleine Mia nicht so toben kann wie sie möchte, weil ihre Beinchen nicht so gut funktionieren, und dann besonders behutsam mit ihr umgehen.

Ich wünsche mir, dass meine Kinder verstehen, dass jeder Mensch besonders ist und „anders“ nicht gleich schlecht bedeutet. Jeder ist irgendwo anders, jeder ist irgendwo fremd oder fühlt sich nicht zugehörig. Gleichzeitig hat jeder seine eigenen Besonderheiten, die das Leben bunt und lebenswert machen.

Manchmal frage ich mich, ob ich damals anders hätte reagieren sollen. Ob ich der Dame hätte erklären sollen, dass meine Kinder so viel klüger sind als sie, weil sie nicht die Gegensätze, sondern die Gemeinsamkeiten erkennen. Wahrscheinlich hätte es keinen Unterschied gemacht, ich hätte die Weltanschauung der Dame nicht beeinflusst. Was ich allerdings kann, ist meinen Kindern einen Blick auf die Welt zu zeigen, der weniger engstirnig ist, der positiv nach vorne schaut und Liebe statt Hass zeigt.

Wir schicken unsere Kinder in die Welt hinaus und hoffen, dass sie sie zu einem besseren Ort machen – zeigen wir ihnen die Richtung und erinnern sie daran, was sie eh schon viel besser wissen als wir – dass die Welt bunt ist und so bleiben soll. #lautwerden #stimmeerheben #blogfamiliablogparade

Dieses Posting entstand als Beitrag der Blogparade der Blogfamilia. Die Blogfamilia ist eine Konferenz zur Weiterbildung von (Eltern-)Bloggern. Organisiert wird die Veranstaltung von Grossekoepfe.de, stadtlandmama.de, familienbetrieb.info, Nieselpriem, Heute ist Musik, Am Ende denk ich, ichbindeinvater.de

INTRO NEFFA
Hier schreibt Gastautorin Neffa. Mehr von Neffa? Dann klicke auf das Bild!

5 comments

  1. Wunderbarer Text! Spricht mir genau aus dem Herzen und ich hoffe, dass ich meinen Jungs ebenfalls vorleben kann, dass anders auch gut und interessant ist und unser Leben bereichert.

  2. Danke für diesen schönen Text. Mehr kann man dazu gar nicht schreiben

  3. Ziemlich naiv und kurzsichtig … Viel Spaß in der Schule

  4. Ziemlich naiv und kurzsichtig…. Viel Spaß in der Schule

  5. Beim Surfen durch „Seiten für Väter und Mütter“ bin ich hier gelandet und kommentiere als Vater OHNE Zwillinge …

    Der Kommentar „Ja, toll, oder?“ zeugt einerseits, was ich absolut positiv bewerte, vom angeborenen Zusammengehörigkeits-Instinkt oder -gefühl.
    Bis zu dem Zeitpunkt, wo die Kinder noch unbekümmert und relativ Einfluss-los spielen, ist das vollkommen in Ordnung und sollte auch weiter gepflegt werden, solange es möglich ist.
    ABER:
    Die Gesellschaft wird zusehends – wenn man die Augen öffnet für die Dinge um uns herum und sie nicht nur GRÜN oder in einer anderen Farbe sieht – immer unruhiger, um das mal grob einzuschätzen.
    Die negativen Einflüsse, meist in dieses Land hereingebracht, nehmen rasant zu. Ohne, eine politische Wertung einzubringen, ist es ratsam, Acht zu geben auf Einflüsse, die man selbst als unangenehm und störend empfindet; sei es Aggessivität oder übertriebener Egoismus, Ausgrenzung, Überheblichkeit etc..
    Durch diese uns immer noch auferlegte „Schuld“, die uns in eine gewisse Defensive drängt, verpflichten wir uns freiwillig zum Nachgeben bzw. gar Aufgeben. Dies ist für einige Menschen, die uns beobachten oder gar als Rivalen sehen, ein Signal bzw. Zeichen der Schwäche bzw. ein Schuldeingeständnis.
    Sind wir jungen (oder auch die älteren) Menschen schuldig?
    Wir MACHEN uns schuldig, wenn wir Zustände und Ereignisse zulassen, die wir selbst als Unrecht empfinden, da wir diese Zustände und Ereignisse selbst nicht herbeiführen würden aufgrund unserer Erziehung, unserer Bildung, unseres Glaubens oder unserer Überzeugung, was richtig oder falsch ist.
    Hören wir auf, uns als Deutsche oder Bürger dieses Landes, die wir mit dieser (ehemaligen) Ordnung aufgewachsen sind, schuldig zu fühlen.

    Zurück zum Punkt:
    Diese Frau mit dem kritischen Ausspruch „… Ihr Kind spielt da mit Flüchtlingskindern… “ ist ERNST ZU NEHMEN, wobei der Moment bzw. die Situation, zu dem bzw. in der er gesagt wurde, nicht gerade passend war. Wenn die Kinder miteinander spielen und sich überhaupt nicht durch Sprache verstehen, sondern durch Handlungen, Gesten oder Entscheidungen, die auf einer friedlichen Basis beruhen, ist das völlig in Ordnung und sollte auf jeden Fall gefördert werden.
    Dabei ist aber trotzdem IMMER im Hinterkopf zu behalten, dass die Welt „kein Ponyhof“ ist und andere Kinder zu Hause eine oft sehr widersprüchliche Erziehung genießen, auf die man dort, zu Hause, niemals einen Einfluss haben kann.
    So entwickelt sich die Gesellschaft insgesamt nicht homogen, sondern kulturell bedingt verschieden.
    So entwickeln sich mittlerweile Parallelgesellschaften, die, intolerant gegenüber anderen Kulturen, einzig ihre eigene Kultur als DIE RICHTIGE KULTUR ansehen und keinen Einfluss von außen zulassen.
    Gehen wir nun in die Defensive und „überlassen anderen das Feld“, die eher nicht dankend diese Defensive als Entgegenkommen sehen, sondern als Rückzug des Verlierers, dann haben wir, die wir hier in Deutschland als Deutsche oder „deutsch gewordene Bürger“ leben, bald das Feld zu räumen.
    Man kann also nicht sagen, dass die Frau mit dem kritischen Ausspruch generell Unrecht hat, sondern muss ihre Aussage kritisch hinterfragen.
    Wir sollten uns nicht so sehr ständig durch unsere Medien Radio oder Fernsehen INFORMIEREN LASSEN, sondern UNS SELBST INFORMIEREN, was generell in der Welt los ist.
    Schauen wir uns im Internet, vor allem auf Youtube, aktuelle Videos an, die nicht machtgesteuert durch unsere Regierung veröffentlicht werden. Lesen wir auch im Ausland Nachrichten.

    Informieren statt informiert werden, hilft.

    Da diese Plattform hier nicht politisch genutzt werden sollte, habe ich bewusst dies auch nur kurz berührt, um das Thema aus meiner Sicht zu beleuchten. Gern gebe ich Tipps zu allen möglichen Themen, wenn es interessiert.
    Ich bin Handwerker und Vater einer 5-jährigen Tochter und im nächsten Jahr, wenn alles gut läuft, eines hinzukommenden kleinen Jungen.
    Seit die Gesellschaft immer aggressiver und unruhiger wird, versuche ich durch Lesen und Schauen, Gerechtigkeit und Offenheit für alles, mich immer wieder neu zu ordnen, um im Gleichgewicht zu bleiben. Ich bin weder RECHTS noch LINKS, sondern vertraue meinem Instinkt, Wissen und meiner „Aura“. Dies, so meine Meinung, sollten wir alle tun. Dann gesundet (bzw. besteht so eher die Möglichkeit) unsere Gesellschaft wieder und eine Harmonie wird sich einstellen, die uns „wehrhaft“ gegen das Unrecht macht.

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