Pflanzenöl
Mehl
Nudeln
Klopapier
So in etwa sieht derzeit die Einkaufsliste eines durchschnittlichen Hamsterkäufers aus. Leider sieht so aber auch MEINE Liste des täglichen Bedarfs aus, was in den aktuell schwierigen Konsumzeiten nicht immer für Begeisterung bei meinen Mitmenschen führt.
Sorry, die Kinder haben Hunger
Hallo, ich bin Neffa, 37 Jahre alt, und Großfamilienmama mit 5 Kindern. Ab und an ist es bei uns recht quirlig und turbulent, weshalb wir die feierliche Tradition “Wocheneinkauf” in unsere Familienroutinen aufgenommen haben. Der Vorteil ist, wir sparen sowohl Zeit als auch Geld, was im Alltag als Mehrkinderfamilie ziemlich hilfreich sein kann. Der Nachteil ist unser visuelles Auftreten in der Einkaufsstätte unserer Wahl, wo wir schon das ein oder andere Mal mit den gerade inflationär shoppenden Hamsterkäufern verwechselt werden.
Ich nehme es niemandem übel, wirklich nicht. Es könnte tatsächlich den Anschein erwecken, als würden wir uns auf ein Leben unter Tage vorbereiten, wenn ich mit unserem prall gefüllten Einkaufswagen durch die Gänge schlendere. Kennt ihr diese Rückspiegelverlängerungen für Wohnwagengespanne? So einen wünsche ich mir zum Geburtstag, das würde das Rangieren zwischen Mehlpackungen und Müslikartons wesentlich einfacher gestalten.
Schon allein unser Bedarf an Tomaten und Gurken sichert einer holländischen Landwirtsfamilie zwei All-Inclusive-Urlaube im Jahr sowie ein Auslandsstudium für die Kinder, Enkel und Urenkel.
Nach dem Essen ist vor dem Essen
Es ist nicht so, dass wir wahllos Lebensmittel einpacken und wie die Eichhörnchen wegschleppen, es ist alles gut durchdacht und im Voraus geplant. Wir wissen zum Beispiel genau, dass unser Wochenbedarf an Äpfeln vier Kilogramm beträgt. Da kann es schonmal vorkommen, dass man am Obstregal hektisch nickt, wenn eine nette Dame fragt “Oh, haben Sie Pferde?” Ich stelle mir dann meine Töchter vor, wie sie mit wehendem Pferdeschwanz über die Wiese galoppieren und dabei wiehern “Wir haben Hu-hu-nger!”
Hunger hat hier nämlich immer jemand. Dabei ist es auch egal, ob Frühstück/ Mittagessen/ Abendessen/ Zwischensnack/ Zwischenzwischensnack gerade erst beendet ist, nach dem Essen ist vor dem Essen. Gefühlt spielt sich mein Mamaleben pendelnd zwischen Supermarkt und Küche ab, während mühsam eingekaufte Lebensmittel wie von Geisterhand in Energie für das Wachstum des Nachwuchses umgewandelt werden. Und bevor jetzt jemand empfiehlt einen Thermomix anzuschaffen – solange es noch keinen Adapter für einen 10-Liter-Eimer zu kaufen gibt muss ich da leider passen.
Foodbloggerin werd ich wohl nicht mehr…
Das Angebot an Soulfoodauswahl hat sich in den letzten Tagen drastisch reduziert. Ungünstigerweise ist das Lieblingsessen meiner Kinder Pfannkuchen, wofür man bekanntermaßen sowohl Mehl benötigt, als auch das flüssige Gold der Neuzeit: Pflanzenöl. Warum genau Öl gehamstert wird hat sich mir noch nicht erschlossen. Sollte das Gerücht aber stimmen, dass einige Autofans die gute Rapsschmiere als Dieselersatz in ihren Tank einfüllen, dann verabschiede ich mich hiermit feierlich und beginne meine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker, Fachrichtung Motortausch. Meine eigenen Kinder könnten nämlich auch einen finanziellen Puffer für ein Auslandsstudium gebrauchen.
Zurück zu meinen Pfannkuchen. In Ermangelung an flüssigem Pflanzenfett habe ich kurz überlegt ob es möglich wäre die Teigwaren in Super E10 anzubraten (was tatsächlich die aktuell günstigere Alternative wäre), habe dies aber aus Liebe zu meiner Familie wieder verworfen. Ein neues Soulfood muss her.
Ebenfalls zu lukullischen Glücksgefühlen führen bei meiner Familie Frikadellen. Wer mit diesem Begriff nichts anfangen kann ersetze das oben genannte Wort bitte mit Hackbällchen, Fleischpflanzerl oder Klops. Meine Konsumreiseroute führt mich also in Richtung Fleischtheke, wo sich bei meinem Anblick die erste Wurstwarenfachverkäuferin in Fötusstellung hinter der Bedientheke einrollt. Wir leben auf dem Dorf, man kennt mich. Geduldig warte ich bis meine Vorgängerin ihre Bestellung über 125 Gramm Cervelatwurst akkurat abgewogen und verpackt bekommt. Während ich warte stelle ich mir vor, welche Reaktion ein so winziger Einkauf wohl bei meiner Familie hervorrufen würde. 125 Gramm entspricht ungefähr der Menge, die mein Vorpubertier im Vorbeigehen am Kühlschrank aus Versehen einatmet. Was ihn dann daran erinnert, dass er ja schon wieder Hunger hat. Ein Teufelskreis.
Dafür musst du bezahlen!
Vollbepackt mit “ein wenig mehr als 125 Gramm” Fleisch und den restlichen Einkäufen mache ich mich dann auf dem Weg zur Kasse. Wusstet ihr übrigens, dass Ameisen das fünffache ihres Körpergewichts tragen können? Nennt mich M-ameise.
An der Kasse ernte ich regelmäßig böse Blicke, denn ja, der Wagen ist voll. Die Taschen an der Seite auch. Meistens steckt unter dem Wagen auch noch etwas und zerbrechliches (mein Nervenkostüm zum Beispiel) behalte ich gerne in der Hand. Einige Verkäufer*innen beginnen spontan ihre Pause und flüchten über Rollbänder springend aus dem Verkaufsraum. Die langsamste Person wird dann leider mein Opfer. In etwa wie bei einer Shoppinglöwin im Kampf mit einer Scanner-Antilope. Unsere Blicke treffen sich und es beginnt der wöchentliche Kampf um Leben und Brot. Vor mir sitzt die drölffache Deutsche Meisterin im Speed-Kassieren, die ihren Scanner zieht wie sonst nur John Wayne nach eine gehörigen Dröhnung Selbstgebranntem. Mist, ich habe O-Saft vergessen. So ein Ärger.
Ihr seht, es ist nicht immer wie es scheint. Bitte nicht schimpfen und habt ein wenig Mitleid, wenn ihr mich und den Jahresertrag eines Hektars Land an euch vorbeischieben seht.
Ich hamstere nicht, ich habe Kinder!