Interview: Warum Reboarder die besseren Kindersitze sind

Keine Ahnung, wie ich jemals das wahlfähige Alter erreicht habe. Als ich meine Mutter kürzlich nach meiner eigenen Kindersicherheit im Auto befragte, wäre ich beinahe durch meine panische Schnappatmung erstickt. Die 1980er-Jahre waren offensichtlich nichts für Weicheier. Damals schrieb man das Wort Sicherheit groß – weil es ein Hauptwort ist..

Ich: „Ich kann mich eigentlich gar nicht dran erinnern, dass ich einen Kindersitz hatte…“
Meine Mutter: „Ich hab dich damals in der Tragetasche einfach in den Fußraum vom Auto gestellt. Aber wie du dann größer warst, da hattest du so eine Sitzunterlage…“

Wie bitte? Nachdem diese Antwort nicht gerade mein Sicherheitsbewusstsein untermauterte, durchsuchte ich das Internet nach passenden Antworten. Und ich fand Sebastian – er ist Gründer der Zwergperten. Als ehemaliger Experte beim ADAC zum Thema Sicherheit, prüft und testet er Kindersitze und er hat wirklich große Ahnung, wovon er spricht…

Babyschale
Bei den Babyschalen sind Reboarder quasi Standard.

Bei der Babyschale, dem ersten Autositz, denkt niemand nach, ob Neugeborene vorwärts oder rückwärts fahren sollten. Jedem ist klar, dass rückwärts beim Bremsen sicherer ist für ein kleines Kind mit wenig Muskelspannung. Hierzulande ist der Zeitpunkt, zu dem man auf einen „normalen“ vorwärts gerichteten Autokindersitz umsteigt, sobald das Kind alleine sitzen kann. Das ist sehr künstlich gewählt, denn bis zum vierten Geburtstag können kleine Kinder ihren Kopf bei einem Unfall nur unzureichend halten – es gibt sehr viel häufiger Genickbrüche durch den starken Zug am Kopf, dem die wenig entwickelte Nackenmuskulatur nichts entgegensetzen kann.

 

Für Jungeltern und Menschen die absolute Einsteiger sind: Welche Arten von Kindersitzen gibt es?

Sebastian: Kindersitze werden in Gruppen eingeteilt, darunter fallen Gruppe 0 (0-10 Kilo) – das sind im großen und ganzen die klassischen Babyschalen. Dann gibt es die Klasse  I (rückwärtsgerichtet, nach iSize-Norm Körpergröße bis 1.05 m und 18 Kilo), Kalsse II (15-25 Kilo) und Klasse  III  (25-36 Kilo). Inzwischen gibt es viele mitwachsende Kindersitze, die sehr gut sind und verschiedene Gruppen zusammenfassen. Sie passen sich der Größe und Beschaffenheit des Kindes dank verstellbaren Kopfteils und verstellbarer Seitenwände an: Mit anderen Worten – diese Sitze beschreiben mehrere Klassen auf einmal und man dann sie quasi vom Kreißsaal bis zur Schule verwenden.

Erst Reboarder, dann ganz normaler Kindersitz: Es gibt Kindersitze, die vom Kreißsaal bis zur Einschulung verwendet werden können. Foto: DIONO
Erst Reboarder, dann ganz normaler Kindersitz: Es gibt Kindersitze, die vom Kreißsaal bis zur Einschulung verwendet werden können. Foto: DIONO

Worauf sollte man beim Kauf eines Kindersitzes achten?

Sebastian: Die Sicherheit des Kindes steht natürlich an erster Stelle. Daher sollten Eltern darauf achten, wie gut das Kind in den Sitz passt (schmaler Sitz für schmales Kind) und ob der Sitz ins Auto passt. Generell gilt: Das Kind sollte man immer zum Kauf des Sitzes mitnehmen und probeweise immer direkt beim Fachhändler ausprobieren. Hier ist eine individuelle, kompetente Beratung garantiert.

Billig = schlecht? Stimmt das oder gibt es Kindersitze die oft überraschen?

Sebastian: Der Preis sagt nicht unbedingt etwas über die Qualität des Sitzes aus. Es gibt immer Sitze, die auch überraschen: Manche sind wirklich günstig und bieten ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. „Günstige“ und gute Reboarder sind der Radian 5 von Diono, der Britax Römer Max-Way oder der Concorde Reverso…

Bis zu welchem Alter sollten Kinder in einem Kindersitz sitzen?

Sebastian: Laut der Straßenverkehrsordnung sollten alle Kinder bis 12 Jahre und 1.50 m Körpergröße in einem geeigneten Rückhaltesystem sitzen. In Skandinavien werden seit etwa 20 Jahren Reboarder genutzt. Das bringt verblüffende Zahlen: Dort gibt es zu  70 Prozent weniger schwerverletzte Kinder bei der Nutzung von Reboardern, keine Nacken-Wirbelsäulenverletzung.

Ab welcher Geschwindigkeit wird es gefährlich?

Sebastian: Jeder Unfall ist gefährlich, selbst schon bei 10 Stundenkilometern verdreifacht sich das Körpergewicht. Und schon bei Unfällen bei 10 km/h müssen Kindersitze anschließend ausgetauscht werden. Ein Frontalzusammenstoß ist besonders gefährlich, da die Verletzungsgefahr am größten ist; bei 56 km/h überdehnt sich die Nackenwirbelsäule des Nachwuchses um vier Zentimeter! Dieser Gefahr können Eltern mit der Nutzung von Reboardern umgehen.

Was ich bei Reboardern problematisch finde ist, dass man die Kinder im Rückspiegel nicht im Auge hat…

Sebastian: Reboarder sind einfach sicherer, denn bei jedem Bremsen wird das Kind in den Sitz gedrückt und damit wird die Halswirbelsäule geschont. Dei vorwärts sitzenden Kindern wird dagegen die Energie über Kopf abgebaut, was sehr gefährlich ist, da der Kopf eines Kindes um 20 Prozent größer ist als der eines Erwachsenen (im Verhältnis zum Körper). Schwere Verletzungen werden durch Rückwärtsfahren um 90 Prozent reduziert. Wer seine Kinder trotzdem im Auge behalten will, kann sich spezielle Spiegel-Systeme fürs Auto kaufen, dann hat man das Kind trotzdem im Auge.
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4 comments

  1. Wir haben einen Reboarder von HTS BeSafe (ich glaube er heißt IziCombi) und sind damit sehr zufrieden. Da bei diesem Sitz der Abstand zum Rücksitz sehr groß ist, passt meine Tochter, jetzt 3 1/2 Jahre alt, noch immer rückwärts dort rein – mittlerweile kann sie sogar problemlos selbst reinklettern. Das rückwärts fahren stört sie nicht, obwohl sie es auch toll findet mal bei Papa im vorwärts gerichteten Zweitkindersitz mitzufahren. Manchmal findet sie es halt doof z.B. an der Schranke den Zug nicht gut sehen zu können, aber das ist mir das deutliche Mehr an Sicherheit durchaus wert. Da sie mit ihren 14 kg noch immer nicht an die 15 kg für die nächste Sitzgruppe rankommt, muss sie aber noch ein bisschen durchhalten…Aber seit sie selbst reinklettert hat sie auch wieder mehr Freude damit… Von der Höhe der Kopfstütze passt es noch einwandfrei, deutlich besser als die Zweitkindersitze die wir haben (Römer), dort guckt der Kopf schon fasst rüber.
    Ich kann den Sitz definitiv weiterempfehlen, auch wenn er ziemlich teuer war. Gut ist definitiv der große Abstand zum Rücksitz, der bei anderen deutlich kleiner ist (und somit früher vorwärts gedreht werden muss). Ich denke wir schaffen es mit dem Sitz bis zum vierten Geburtstag rückwärts zu fahren…!

  2. Wir brauchen unbedingt einen neuen mitwachsenden kinderautositz. Als wir vor drei Jahren für den grossen einen Sitz gesucht haben gab es die rückwärts fahrenden noch nicht. Wir haben so viel darüber gelesen, dass wir das gerne ausprobieren möchten und selbstwenn es meinem sSohn nicht gefällt kannman den sSitz ja trotzdem umbauen und nach vorne gerichtet fahren…super ;-)

  3. Hallo,
    es freut mich, dass du trotz fehlendem Kindersitz groß geworden bist. Auf der einen Seite sind solche Geschichten ja immer erschreckend, aber gleichzeitig zeigen sie auch, dass man manchmal auch 5 gerade sein lassen kann.

    Grüße
    Lara

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