This is Sparta – Geschwisterstreit für Fortgeschrittene

Normalerweise geht es bei uns Zuhause recht friedlich zu. Die Kinder spielen, toben, diskutieren mal und haben sich im Großen und Ganzen laut eigener Aussagen „Ja doch irgendwie lieb“. Ganz selbstverständlich ist dieser Zustand nicht, denn genauer betrachtet birgt unser Familienleben mehr Konfliktpotential als eine koschere Ochsenbraterei auf einem veganen Streetfood-Festival.

Wir haben hier den Zweijährigen, dessen Wortschatz aktuell aus „Ich will aber“, „Meiner, meiner“ und „Gib mir das!“ besteht. Die vierjährigen Zwillingsdamen, die sich eigentlich total gerne abstimmen, alles gemeinsam machen wollen und doch charakterlich nicht unterschiedlicher sein könnten. Es gibt ein 6-jähriges Wackelzahn-Pubertier, das immer und überall genau weiß, was es möchte, aber dann, naja, vielleicht irgendwie doch nicht.

 Kriegsschauplatz: Wohnzimmer

Besonders beachtenswert finde ich ja das Timing, das die Kinder für ihre Streitausbrüche entwickelt haben. Gerade spielten sie in trauter Viersamkeit noch Lotti Karotti, da witterte man als Mutter doch die Gelegenheit sich heimlich aus dem Raum, bis hin ins ferne Wunderland des Badezimmers zu schleichen. Als inzwischen Profi-Mutter mit 6,5 Jahren Berufserfahrung benötige ich für die Wegstrecke und alle Erledigungen ungefähr 8,75 Sekunden, was aber offensichtlich für die Kinder völlig ausreicht um die Pforten der Hölle zu öffnen. Hörte man bisher nur ein leises Kichern und das Flappen der Spielkarten, so änderte sich die akustische Hintergrundbeschallung in Sekundenbruchteilen in ein Wummern, das den Kriegshörnern aus „Herr der Ringe“ ziemlich nahe kommt. Wagt man einen scheuen Blick aus dem Bad hinaus, so hat sich die Szenerie bereits der dunklen Seite zugewandt. Über den Flur reiten geköpfte Barbies auf brennenden Meerschweinchen, die LED-Beleuchtung verbreitet ein schwarz-violettes Licht und der jüngste Kriegsherr im Bunde zieht auf seinem Bobby Car in die Schlacht, wie einst Hannibal auf seinen Elefanten. Schnell erkennt man: Offensichtlich hat jemand die Spielfigur eines anderen jemands angepfotet und muss dafür mit aller Macht ins Fegefeuer befördert werden.

Geschwisterstreit-Leben-mit-Kindern-in-Grafiken
Das Leben mit Kindern in Grafiken.

Während inzwischen die vier apokalyptischen Reiter mit Notizblock und Fan-Fähnchen durch unser Fenster spicken und der Wutzwerg seinen großen Bruder mit einer Fliegenklatsche über sämtliche Etagen jagt, besinne ich mich als gute Mutter auf meine Kernkompetenz „Deeskalation“ und sage den Satz, den garantiert jede Mehrkindmutter in ihrer Not schon über die Lippen gebracht hat: „Bitte nicht streiten!“

Ja, genau das sage ich und merke just im selben Moment, wie sinnfrei diese Aussage in einer Streitsituation doch ist. Als hätte jemals auf dieser Welt ein Kleinkind geantwortet „Oh Mutter, verzeih! Ich mäßige mich und gelobe solch Frevel künftig zu unterlassen.“. Ich werde es trotzdem wieder sagen, wahrscheinlich schon morgen.

Dissen wie die Ganster-Rapper für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung

Ganz oft hat so ein Geschwisterstreit auch eine niedliche Seite. Sind die Nachkömmlinge noch nicht durch Gossenvokabular aus dem Kindergarten oder vom Schulhof belastet, fallen die Beleidigungen so kreativ wie putzig aus. Aus der kleinen Schwester wird dann bei akuter Aggression ein Pupsgesicht oder eine Doofnudel, gefolgt vom Lieblings-Diss aller Kinder „Du bist doof!“ (Die korrekte Antwort hierauf lautet übrigens „Selber doof“, so will es das Gesetz). 

Was manchmal im Familienalltag anstrengend und zeitraubend wirkt, ist in Wirklichkeit ein wichtiger Schritt der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung. Streit unter Geschwistern fördert die sozialen Kompetenzen, Kinder lernen ihre Bedürfnisse zu äußern, Kompromisse zu schließen und ihre Konflikte selbst zu lösen. Vielleicht ist das ein kleiner Trost, wenn man als Mutter gerade wieder mal an sich zweifelt, weil die Sprößlinge in der Lautstärke eines startenden Düsenjets ausdiskutieren, wessen Gabel jetzt die glänzenderen Zinken hat. Oder wem nun welches dieser völlig identischen Spielzeuge gehört. Oder warum K1 überhaupt atmen muss, während K2-4 doch so gerne Paw Patrol schauen wollen.

Kinderstreit: eine erstrebenswerte Fähigkeit im Erwachsenenalltag?

Da ja nun kleine Streitigkeiten die Sozialkompetenz fördern sollen, wäre es vielleicht doch eine prima Idee, das eigene innere Kind wieder zu entdecken und damit erwachsene Auseinandersetzungen schnell und einfach zu lösen. Schließlich vertragen sich Kinder immer ganz schnell und haben sich danach noch lieber als zuvor. Wäre es vielleicht von Vorteil für die Beziehung, wenn man auf die Kritik am Abendessen durch den geliebten Ehegatten einfach antwortet „Und du STINKST!“? Einen Versuch wäre es auf jeden Fall wert…

Auch im Beruf sehe ich so viele Einsatzmöglichkeiten für infantile Streitkultur. Nervtötende Meetings werden zügig beendet wenn man einfach mal „NaNaNaNa, ich hör dir gar nicht zu!“ brüllt und der unangenehme Kollege bekommt mit Schwung den Büro-Kaktus um die Ohren gehauen, weil er wieder so furchtbar laut auf seine Tastatur getippt hat. Im Übrigen bekommt man einen ganzen Tag frei, wenn man seinen Chef als „pummelige Pimmelprinzessin“ bezeichnet. Habe ich gehört…

In diesem Sinne, gehabt euch wohl und habt euch lieb, behaltet die Nerven denn, EINER schreit garantiert immer.

 

INTRO NEFFA
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