Brotdosenkunst

Von Karotten-Apfel-Kunstwerken und dem fiesen Brotdosenkunst-Käse-Wahnsinn

Ich war bisher wirklich neidisch auf manche Mütter. Vor allem auf die, die es schaffen ihren Kindern zum Frühstück kleine Kunstwerke aus unglaublich gesunden Lebensmitteln zu zaubern, die dann selbst vom hartnäckigsten Gemüseverweigerer mit Genuss verschmaust werden. Schaut man sich die Fotos auf manchen Blogs und Mutti-Seiten an, bekommt man den Eindruck die Damen hätten sich auf ihre Mutterschaft mit einem Bildhauerkurs oder einem Studium der bildenden Künste vorbereitet. Man sieht niedliche Mäuschen aus Vollkornbrot mit Radieschen-Nasen und Gurken-Öhrchen, die eher einen Platz im Louvre als auf dem Frühstückstisch verdient hätten. Oder gleich Schloss Neuschwanstein, liebevoll geschnitzt aus einem Block Käse aus der Milch von glücklichen Kühen, die beim Melken klassische Musik hören.

Mir schwebten Unterwasser-Landschaften vor...
Mir schwebten aufwändige und entzückende Unterwasser-Landschaften vor…    Fotos: Pinterest

 

Mein Ehrgeiz war geweckt! Weißbrot-Skulpturen hatte ich bisher noch nicht gemacht, aber schon für diverse Geburtstage Torten dermaßen mit Fondant und Marzipan gepimpt, dass schon vom Anschauen der Blutzuckerspiegel gesundheitsschädliche Ausmaße annimmt. Gesagt getan, mein erstes Projekt für den Thronfolger entstand zum Abendbrot. Geplant war ein lustiges Clownsgesicht, man fängt ja klein an. Ich schnitt also mit chirurgischer Präzision ein Brot in eine möglichst runde Kopfform, drapierte Wurst und Käse drauf, hübschte das Ganze noch mit Gürkchen auf und platzierte zuletzt eine liebevoll gehälftete Tomate als Nase in der Mitte. Was soll ich sagen… Das Ergebnis erinnerte mich an eine Mischung aus dem verrückten Hutmacher von Alice im Wunderland und dem fiesen Clown aus „ES“. Alle Rettungsversuche scheiterten und ich beschloss diese Kreatur nicht auf dem Tisch zu bringen. Mein erklärtes Ziel fürs Abendessen war ja schließlich den Throni satt und zufrieden zu bekommen und nicht ihn fürs Leben zu traumatisieren. Das Thema hatten wir nämlich erst…

Der Throni ist ein großer Fan  vom kleinen Drachen Kokosnuss und seinen Freunden. Jeden Tag wird ein Buch rangeschleppt und manchmal lesen wir schon zum Frühstück das erste Abenteuer von Kokosnuss und seinen Freunden Matilda und Oskar. Das Ganze natürlich mit seinem über alles geliebten Plüsch-Kokosnuss auf dem Schoß, der liest nämlich mit. Eines schönen Tages kam der Throni aus dem Kindergarten, verlangte eine kurze Kokosnuss-Geschichte und bekam diese auch.

Nachdem der kleine Drache mit Hilfe des Stachelschweins die Welt gerettet hatte, wollte er gerne mit seinen Legos spielen und stapfte Richtung Spielzeugkiste. Auf dem Weg dahin kam er am Süßigkeiten-Teller vorbei, schnappte sich ein Raffaello und fragte ob er das haben dürfte. Ich sagte ja und in Lichtgeschwindigkeit war die kleine Kugel ausgepackt und im Kindermund verschwunden. Mit vollgestopftem Schnäbelchen fragte er noch schnell „Mama, was isn das Weiße da drauf?“. Ich gab die dämlichste Antwort die man sich vorstellen kann… In Gedanken schon beim Nachmittagssnack für die Zwillinge rief ich ihm über die Schulter zu „Das sind klein-geraspelte Stückchen Kokosnuss.“.

Oh oh! Ich bemerkte zu spät was ich gesagt hatte und sah den Throni mitten im Wohnzimmer stehen, das halb zerkaute Raffaello im weit offen stehenden Mund, die Augen noch weiter aufgerissen, bereit sofort in Tränen auszubrechen. Ich rannte schnell hin, googlete mit ihm zusammen Bilder einer Kokosnuss und erklärte ihm warum Kokosnuss nach einer Frucht benannt war. Zum Glück konnte ich ihm glaubhaft versichern, dass er da gerade Obst und Schokolade gegessen hatte und nicht ein qualvoll geschändetes Drachenkind. Trotzdem hat er bisher nie wieder nach einem Raffaello verlangt.

Ihr seht, ich bin etwas vorsichtig was den Umgang mit Lebensmitteln angeht. 

Darum wurde aus dem Butterbrot-Clown auch wieder ein langweiliges Abendessen, aus Angst um die Psyche meines Sohnes. Ich versuchte mich noch an einer Palme aus Schwarzbrot und Gemüse, das kam so gar nicht gut an, aber ich gab die Hoffnung nicht auf, dass mein Talent sich doch irgendwann auf dem Kinderteller manifestieren würde. Bis zu dem Tag, an dem ich ein Monster erschuf…

Mein Sohn liebt Äpfel über alles und wie wir alle wissen, schmecken Zauberäpfel nochmal doppelt so gut. Beim liebevollen Aufschneiden eines besonders hübschen Apfels kam mir die Idee aus einem Zauberapfel doch zur Abwechslung mal einen Monsterapfel zu machen. Kleine Monster finden Dreijährige nämlich auch super und ich freute mich schon auf die strahlenden Augen des Thronfolgers. Ich machte also etwas kleinere Zacken in den Apfel, die wie Zähne aussehen sollten und schnitt zwei Löcher in den oberen Teil, die ich dann mit zwei kleinen Punkten Lebensmittelfarbe leuchten lies. Ich fand das ziemlich cool. Das Mini-Monster wurde auf dem Teller platziert, unter großem Tamtam ins Wohnzimmer getragen und voller Vorfreude vor dem schon wartenden Throni platziert.

Sein Gesicht werde ich wohl nie vergessen. Er saß da und starrte mein Kunstwerk an, sagte kein Wort und bewegte sich auch nicht mehr. Die von mir erwartete Euphorie blieb aus und er rührte das Obst auch nicht an. Nach der ersten Schrecksekunde kam dann flüsternd von ihm „Mama, das Ding hat Augen.. das kann ich nicht essen.“ Mist, Plan gescheitert. Ich versuchte die Misere noch zu einem guten Ende zu bringen indem ich die Augen mit Hilfe eines kleinen Schälmesserchens entfernte, aber da dabei ein Zacken abbrach, hatte ich nur erreicht, dass der Apfel nun absolut ungenießbar wurde. Kaputte Äpfel schmecken nämlich nicht. Ich aß das Ding dann selber (so schlimm schmeckte das gar nicht…) und machte Throni ein neues Exemplar, diesmal ohne Experimente. Schuster bleib bei deinen Leisten.

Vielleicht starte ich noch einen Versuch wenn die Mädels so weit sind, aber vielleicht lasse ich es doch lieber gut sein und überlasse das Feld den Muttis, die wissen was sie tun. Und außerdem, wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass Kinder schon beim Frühstück mit ihrem Obstsalat Szenen aus dem Mittsommernachtstraum nachspielen können, so würden Bananen und Kiwi schon in Elfenform am Baum wachsen.

In diesem Sinne: Lasst es euch schmecken!

 

Hier schreibt Gastautorin Neffa. Mehr von Neffa? Dann klicke auf das Bild!
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2 comments

  1. „Das sind kleingeraspelte Stückchen Kokosnuss“

  2. Made my day! Ich bin übrigens eine der „Schnitzermuddis“ geworden, musste mir die Fähigkeiten aber mühsam im Abendkurs an der Volkshochschule aneignen :p

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