Drei Kinder, ein fordernder Job. Aufgaben und ToDos auf Listen im Überfluss. Lösungen, wenn eines der Kinder krank ist, weit und breit keine. So. Kann. Es. Nicht. Weitergehen. Bis diese Erkenntnis nicht nur in meinen Kopf hämmerte, sondern sich in konkrete Veränderungen umsetzte, verging allerdings viel Zeit.
„Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ war lange so ein Schlagwort, das zwar ständig zu hören war, das sich für mich aber nicht mit Leben erfüllte. Haben alle geschafft, schaffen alle, wird schon klappen, dachte ich. Beim ersten Kind donnerte dann die Realität auf mich herunter: Die Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtung passten nicht zum Beruf, die Ferienzeiten schon gar nicht. Urlaubstage musste ich im Sommer getrennt vom meinem Partner verbrauchen, wenn ich denn arbeiten konnte, unter dem strengen Blick der anderen früher aus dem Büro gehen. Die Schwangerschaft mit dem zweiten Kind war diesbezüglich fast ein Moment zum Durchatmen, denn wer in Elternzeit ist, bekommt Schonfrist vor dem Vereinbarkeitsthema.
Dass ich gleichzeitig mit dem Mutter-Werden auch von allen Vorgesetzen und Kollegen plötzlich als Teilzeit-Kraft wahrgenommen wurde, wies nach dem Wiedereinstieg mit zwei Kindern den Weg. Runter mit den Stunden, rein in mehr Familie.
Das Leben? War zu schaukeln, irgendwie. Durchgetaktet von früh bis spät, wer bringt in den Kindergarten, wer holt ab? Wer eilt wann wie aus der Arbeit heim, bringt ein Kind zum Musikunterricht, wer holt es ab, wann wird vorgekocht, wie ist der Abendtermin betreuungstechnisch abgedeckt? So lange keiner krank war und jeder den ihm zugedachten Part brav erfüllte, ging es. Jeder Kieselstein am Weg brachte den Zug zum Entgleisen, dass ein Kind länger benötigt, um in seine Kindergartengruppe einzutreten, war schlicht und einfach nicht denkbar.
Institutionen wie Schule und Kindergarten erwarten Mütter, die Zeit haben, sich am Nachmittag zu Bastelaktionen zu treffen, die Elternabend nach Elternabend besuchen und teilen fröhlich bunte Zettel aus, was bis morgen dringend zu besorgen ist, obwohl man diese Zettel doch erst nach Geschäftsschluss zu lesen bekommt, wenn man berufstätig ist. Da wird das Familienleben kein Balanceakt sondern ein Bauchklatscher mit Ansage: wer im Beruf ganz da sein will, erlebt spätestens beim Nachhausekommen den harten Aufprall, weil das Unvorhergesehene nicht mehr zu lösen ist. Gleichzeitig wird auch das Büro zum Minenfeld. Ein krankes Kind – leider immer unvorhergesehen? Ein wichtiger Arzttermin? Ich schiebe und verteile, organisiere. Bitte trotz Lungenentzündung des Kindes die Oma zu kommen, muss ja arbeiten. Von den vielen Vorspielabenden, Theateraufführungen und Festen, die ich versäume, erzähle ich niemandem.
So ein Leben macht etwas mit denen, die es leben.
Nicht nur mit den Müttern, die sich an ein Leben ohne Gedankenkarussell und Mental Over-Load gar nicht mehr erinnern können, sondern auch mit den Kindern. Ungezwungen in den Tag rein leben – unmöglich. Auch ihr Leben hat einem strengen Plan zu folgen, sie müssen funktionieren, Platz zum Abweichen gibt es nicht.
„Toll, wie du das alles machst!“, sagen mir viele. Dass es sich oft nicht toll anfühlt, behalte ich für mich. Sicher, im Beruf kann ich funktionieren. Die inhaltlichen Herausforderungen treten aber in den Hintergrund. Die, wer während dieses immens wichtigen, seit Monaten angekündigten Termins bei den Kindern sein wird, wenn der Partner gerade im Ausland ist, stellt sich als fast unlösbares Problem heraus. Das dritte Kind bringt dann schließlich etwas zum Einstürzen, das ohnehin nur ein Kartenhaus war. Irgendwann mitten in der Nacht schreibt die Babysitterin, dass sie nicht mehr kommen kann. Gar nicht mehr. Schon morgen nicht mehr. Und das mitten im August.
Warum entscheidet man sich für ein Leben, das ein Drahtseilakt von Tag zu Tag ist? Was will ich meinen Kindern damit wirklich vorleben? Dass die Mama selbstständig ist und es im Griff hat im besten Fall. Die Mama verliert die Nerven, wenn die Nachmittagsbetreuung wieder früher zumacht, ist aber wahrscheinlich eher das Bild, das sich meinen Kindern einbrennt und an das sie sich später zurückerinnern.
Alleine bin ich damit nicht. Den Frauen links und rechts geht es genauso. Ich sehe sie sich abmühen, durchwursteln, alles unterordnen und am meisten sich selbst. Von außen ist es so leicht für sie die Lösung zu sehen – vor allem aber, dass das Leben so wie sie es jetzt leben, nicht die Lösung sein kann. Bei mir selbst habe ich länger gebraucht, das Offensichtliche zu erkennen. Aber jetzt ist es soweit. Ich habe den Stecker gezogen, gekündigt, ich schaue, was neue berufliche Erfahrungen bringen, bei denen das zeitliche Korsett nicht so eng geschnürt ist, und wie Familie sich noch anfühlen kann. Ein Spaziergang wird’s wahrscheinlich ebenfalls nicht werden. Aber sicher auch kein Marathon, sondern im besten Fall eine spannende Expedition zu fünft.
Gut geschrieben…. mir sozusagen aus dem Herzen gesprochen.
Würde mich sehr interessieren wie es ausgeht. Ich bin grad bei dem Gedanken zu kündigen bzw. mich umzuorientieren. Hab jedoch noch sehr respekt vor der finanziellen Auswirkung.
Oder ich denke, ich „brauch noch etwas länger das Offensichtliche zu erkennen“ bzw. anzuehmen.
Danke ich liebe auch
Liebe Autorin von „Einer schreit immer“, dein Artikel über den mutigen Schritt, den Job zu verlassen, um eine neue Richtung einzuschlagen, hat mich sehr bewegt. Es ist inspirierend zu sehen, wie du die schwierige Entscheidung getroffen hast, im Interesse deiner Familie und deiner persönlichen Zufriedenheit eine Veränderung herbeizuführen. Deine Erfahrungen und die daraus resultierenden Erkenntnisse bieten eine wichtige Perspektive auf die Herausforderungen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Vielen Dank für das Teilen deiner Geschichte und für den Mut, diesen bedeutenden Schritt zu gehen.