Wie viel darf ein Kind fernsehen? (Foto: Pixababy)

Fernsehen, iPad und Co: Wie viel Zeit Kinder vor dem Bildschirm verbringen dürfen (Experteninterview)

Der Umgang mit Medien gehört zu unserem Leben. Doch wie kann man den Medienkonsum klug gestalten und sinnvoll begrenzen? Ab welchem Alter dürfen Kinder fernsehen oder sich selbstständig mit dem Smartphone beschäftigen? Wann und in welchem Maße ist die (begleitete) Mediennutzung sogar notwendig, damit das Kind im Freundeskreis und in der Schule mithalten kann? Und wie können Eltern dazu beitragen, dass Kinder lernen, die modernen Medien für sich sicher zu nutzen? 

Auf all diese Fragen gibt es keine allgemeingültigen Antworten. Dennoch haben wir Expert:innen und Eltern befragt, wie sie ihren Alltag mit TV, Tablet und Co. organisieren. Vieles hängt von der Persönlichkeit sowie dem persönlichen Umfeld der Kinder ab. Für Kinder, die mit einem wesentlich älteren Geschwisterteil aufwachsen, ergeben sich andere Antworten als für Zwillinge oder Einzelkinder. Auch befinden sich Kinder, die auf dem Land mit Garten aufwachsen, in einer anderen Situation als Kinder, die in einer kleinen Etagenwohnung an einer vielbefahrenen Straße leben.

Gibt es Empfehlungen zu den jeweiligen Altersstufen?

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend rät generell davon ab, Kinder unter drei Jahren vor den Fernseher zu setzen, da diese Realität noch nicht von Fiktion unterscheiden können. Bis zum Grundschulalter sollten sie nicht mehr als 30 Minuten täglich fernsehen. Die Kinder sollten nicht allein fernsehen. Wichtig sei auch, das Gesehene gemeinsam zu besprechen. Grundschulkinder dürften Kindersendungen auch schon mal allein anschauen. Das Ministerium rät aber von einem Fernsehgerät im Kinderzimmer ab. Es empfiehlt, feste Regeln für die Bildschirmzeit zu vereinbaren. Auch solle der Nachwuchs immer erst fragen, bevor er den Fernseher einschalte.

Wie könnte ein TV-Plan bzw. TV-Regeln aussehen?

Die Empfehlungen des Bundesministeriums bilden eine gute Richtlinie, die man individuell abwandeln kann. Wer befürchtet, der Medienkonsum könne unkontrolliert ausarten, kann leicht verständliche Regeln vereinbaren. Besonders bei Geschwistern unterschiedlichen Alters ist es wichtig, dass diese erlaubten Bildschirmzeiten für alle transparent gestaltet werden. Gerade bei älteren Kindern ist die Unterscheidung zwischen Spielen, sozialen Medien, Bildungs- und schulischen Inhalten notwendig.

Kluge Bildschirmnutzung ohne schlechtes Gewissen  

Die Mediennutzung, egal ob Tablet, TV oder Spielkonsole (wir haben übrigens die Nintendo-Switch), ist auf eine Stunde begrenzt (Alter der Kinder 8 Jahre). Bei der Spielkonsole ist es insofern praktisch, weil die einen vorprogrammierten Timer hat. Und bei den Fernsehserien sprechen wir vorm Einschalten vom Fernseher die Folgenanzahl ab und definieren gleich, wer anschließend abschaltet. Wenn es regnet und ich müde bin, dann können es in Ausnahmefällen auch 1,5 Stunden werden. Da meldet sich natürlich sofort das schlechte Mama-Gewissen. Aber wir haben Regeln gefunden, mit denen ich gut leben kann. 

  • Netflix auf Englisch: Unsere Kinder haben von Beginn an immer nur englischsprachige Serien geschaut. Von da her ist es immer so: TV = Englisch. Da wird nicht diskutiert, das ist so. (Wir hätten einmal im Alter von fünf Jahren probiert auf Französisch umzuschalten, da war die Empörung der Kinder groß. Von da her Profi-Mama-Tipp: Gleich in der Sprache anfangen, die du fördern willst. 
  • Untertitel einschalten: Seit die Kinder in der zweiten Klasse sind, haben wir auch die Untertitel bei den englischen Serien eingestellt. Wir haben das erst ab der zweiten Klasse gemacht, da wir die Kinder nicht verwirren wollte, als sie mit dem Lesen auf Deutsch begonnen hatten. Wenn deine Kinder auf Deutsch fernschauen, dann kannst du von Beginn an die Untertitel einschalten – ein paar Wörter oder Buchstaben nehmen sie bestimmt mit. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen. Kind 1 kam letztens zu mir uns sagte: „Weißt du, wie man ‚to know‘ schreibt?“ Anschließend hatte er es korrekt buchstabiert. Heißt für mich: Ein bisserl was nehmen die Kinder von den Untertiteln jedenfalls mit. Das wird in jeder Sprache klappen. 
  • Kluge Spiele für das Tablet: Für das Tablet haben wir Spiele ausgewählt, die im weitesten Sinne lehrreich sind und Spaß machen. So spielen die Kinder etwa mit der App „Anton“ (hier kann man Schulaufgaben lösen und damit Punkte sammeln um diese Punkte später in Spielen zu verwenden). Außerdem sind noch Spiele drauf wie „Dig this“, Schach (Lesetipp: Warum Schach deine Kinder klug und kreativ macht) und „Lightbot Hour“(Hier werden die Grundlagen des Programmierens erlernt). Noch mehr kluge App-Tipps findest du hier von der „Einer schreit immer“ Community). 

Interview mit Psychotherapeutin Irmgard Schürer

„Die Dosis macht das Gift“, sagt Psychotherapeutin Irmgard Schürer.  Sie hat mit ihren Kindern klare Regeln für die Mediennutzung vereinbart, die den Kindern auch eine Wahlmöglichkeit lassen. „Kinder sind Kooperationswesen, daher macht es Sinn – egal in welchem Alter  – gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Eine Wahlmöglichkeit ist insofern wichtig, dass sich die Kinder ernstgenommen fühlen und ihre Meinung wertgeschätzt wird.“ Außerdem gilt – wie immer in der Kindererziehung – die Vorbildfunktion. Wenn Mama und Papa ständig am Handy hängen, so schauen sich die Kinder das natürlich ab. Eine Handy-Garage ist also eine gute Idee. 

Psychotherapeutin Irmgard Schürer empfiehlt (ab dem Alter von 6 Jahren): 

  • 1/2 Stunde fernschauen pro Tag und 
  • 1/2 Medienzeit (egal ob Spielkonsole, Handy oder Tablet)
  • Die große Herausforderung dabei ist, dass die Vereinbarungen eingehalten werden. Eltern wissen, dass das an uns liegt. Egal ob getobt und gestritten wird, bei der Einhaltung der Vereinbarungen müssen die Eltern konsequent sein, aber nicht verkrampft sein. Dabei hilft eine gewisse Tagesstruktur, da so Grenzen besser eingehalten werden. Wer ohne Plan in den Tag hinein lebt, hat es schwieriger Zeiten einzuhalten.  
  • Es sollte immer genug Zeit zum Spielen für die Kinder bleiben, da das Spielen (bis zum Ende des Grundschulalters) eine Verarbeitung des Erlebten ist. Je weniger Kinder spielen, desto weniger Eindrücke, Gefühle und neue Situationen verarbeiten sie.  
Wie viel fernsehen darf ein Kind? Gibt es dazu eine Tabelle? Foto: Pixabay

Was sagt die Wissenschaft zur Mediennutzung?

In einem sind sich alle einig: Kleinkinder benötigen weder Fernsehen noch Tablet und Co. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es generell schädlich ist, wenn sie Zeit vor dem Bildschirm verbringen (und damit manchmal auch Mama und Papa entlasten). So gibt Gerald Hüther, Professor für Neurobiologe, zu bedenken, dass Medienkonsum die Gehirnentwicklung bei kleinen Kindern beeinflusse und passiv mache. Tatsächlich konnten Zusammenhänge zwischen hohem Medienkonsum und geringem Schulerfolg festgestellt werden.

Der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer formuliert es drastischer. Er spricht von „Digitaler Demenz“, die durch die Nutzung von Medien entstehe. Einleuchtend ist jedenfalls, dass das Begreifen der Welt im wörtlichen Sinne, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und das Erlernen sozialer Kompetenz nicht am Bildschirm stattfinden kann.

Manche Kinder wollen gar nicht fernschauen – gibt es das wirklich?

Das scheint es tatsächlich zu geben (s. einige Stimmen unserer Follower ganz unten). Welche Bedürfnisse ein Kind in Bezug auf die Mediennutzung entwickelt, hängt zum einen mit dem Verhalten wichtiger Menschen seiner Umgebung zusammen und zum anderen mit alternativen Aktivitätsmöglichkeiten. Wenn kleine Kinder ihre Eltern selten oder nie beim Fernsehen oder mit dem Smartphone / Tablet erleben, messen sie dem keine allzu große Bedeutung bei, und sie werden auch kaum Wünsche in dieser Hinsicht entwickeln. Das ändert sich naturgemäß mit dem Eintritt in die Schule. Dann geht der Einfluss der Eltern ein wenig zurück. Wenn das Kind aber attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten hat, wird es zwar seine Neugier befriedigen und mit den Schulkameraden mitreden wollen, das Interesse wird aber sicherlich nicht überhandnehmen. Einige Stimmen aus unserer Umfrage bestätigen, dass Regeln für Medienkonsum und angemessene, knapp bemessene Bildschirmzeiten für „Draußen-Kinder“ kein Verhandlungs-Problem darstellen.

Das sagt die „Einer schreit immer“ Community:  „Welche Regeln habt ihr?“

Daniel: Ich habe absolute Draußen-Kinder, die auf Bäume klettern und durch Gräben kriechen, im Sand graben bis nur der Kopf rausguckt, mit dem Rad durch die Siedlung oder hinten im Garten herumdüsen. Wenn die dann mal 1, 2 oder von mir aus 4 Stunden am Wochenende abends vor der Glotzen hängen, ist das okay. Aber ich weiß, meine Kinder wären im Wald nicht hilflos und in einer Zombie-Apokalypse würden sie auch überleben. Worauf ich Wert lege sind altersgerechte Filme, von denen ICH meine, die dürfen sie sehen.

Susa: Wir haben gar keine Regeln. Klar, keine Zombiefilme etc. (für Kinder unter 16), aber sonst gucken/zocken sie nur am WE abends oder wenn es draußen kühl ist oder regnet. Sie sind lieber an der frischen Luft. Ich sehe das wie bei Süßkram auch: Verbote machen neugierig und animieren dazu, es „trotzdem zu machen“. 

Daniela:  Wir haben keine Regeln. Natürlich ist nur fürs Alter passendes erlaubt, … Meine Erfahrung: TV ist komplett uninteressant. Laptop schauen sie ca. 1 h am Tag. …. Ins Handy dürfen sie, wenn sie wollen schauen, es wird aber auch nicht massiv genutzt. Sie nutzen es nur, wenn ich mich z. B. mal hinlege zu Mittag oder sie nichts spielen wollen. … Sie gehen viel lieber raus oder wir unternehmen etwas. Je mehr man da versucht, zu regulieren, umso interessanter wird die Sache. …

Jonas: Wir haben gar keine Regeln. Klar – keine Metzelfilme, aber Fernsehen ist immer verfügbar – und ich wünschte die Kids würden es öfter nutzen.

Katharine: Für den Fernseher haben wir keine wirklichen Regeln. Zockzeit können sich meine Jungs verdienen, indem sie rausgehen. Heißt: 60 Minuten draußen ergeben 30 Minuten Zocken.

Veronika: Unsere Zwillinge sind 4 und wir haben keine Regeln, denn es wird hier weder TV noch Tablet noch Smartphone (von den Kindern) genutzt. Bis jetzt klappt es sehr gut und die beiden vermissen nichts.

Valerie: Tablet Montag bis Freitag 15 Minuten, am Wochenende 30 Minuten. Freitag oder Samstag schauen wir noch einen Film. Beide sind neun.

Sabine: Täglich maximal eine Stunde. Nintendo und zwei Stunden Handy, wenn alles erledigt ist. Dazu zählen Schule, Instrumente und auch die Aufgaben im Haushalt. Die beiden sind bald 11 Jahre.

Sarah: Bei uns ist das höchst unterschiedlich – bei vier Töchtern zwischen 7 und fast 15 ist das aber auch kein Wunder. Von sehr wenig (manchmal ganze Wochen gar nicht) bis zu durchgezockten Tagen/Wochenenden ist alles dabei. Voraussetzung: Aufgaben wurden erledigt, Noten stimmen. Wir haben keine Konsolen, aber zwei Fernseher (davon wird einer nicht von den Kindern genutzt), Handy gibt es „erst“ mit zehn, inklusive zeitlicher und inhaltlicher Einschränkung. Einen PC haben die beiden Ältesten – nur bei der Ältesten ist kein Passwortschutz drin, aber sie hat sich das Vertrauen verdient und bestätigt es immer wieder. Die Jüngeren dürfen gelegentlich mal mitgucken, sie spielen am Tablet/PC/Handy, um es kennenzulernen. Bislang hatten wir keinen Grund unsere Regeln zu ändern. Wir sind aber auch großzügig mit extra Zeiten, wenn alles andere fertig ist. 

Babsy: Ich denke, das kommt ganz auf das Alter an. Unsere werden im August 2 und dürfen abends den Sandmann schauen. Ansonsten gibt’s täglich viele andere neue Herausforderungen (Knete – Malen – Basteln – Toben – Klettern usw.)

MamarolltdurchsLeben: Unser Babyboy ist noch zu klein für dieses Thema, aber ich bin sehr gespannt welchen Mittelweg aus guten Vorsätzen und Situationsentscheidungen wir finden werden. Für mich als Mama im Rollstuhl mit Muskelerkrankung fällt Handy wegnehmen oder Fernbedienung an unzugänglichen Orten verstecken ja eher aus.

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Wer schreibt hier eigentlich?

Zwillingsmama, Kinderdompteurin, Geburtstagsveranstalterin, Chaosmanagerin und „Mädchen für eh alles“: Unter dem Netz-Pseudonym Anna Attersee schreibe ich hier mit Team pädagogisch wertlos über das turbulente Leben mit Kindern – schonungslos ehrlich, denn einer schreit hier bei uns immer… Im richtigen Leben bin ich Journalistin, arbeite im Bereich „Irgendwas mit Medien“ und habe kürzlich mein erstes Buch veröffentlicht. Mehr über mich und unsere Familie findest du HIER.
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