Meine kleine Zuckerschnecke! Ich habe so viele Fragen an dich…

Mein geliebtes Kind!

Ich sehe dich. Ganz genau beobachte ich dich, wie du neugierig auf der Holzterrasse im Garten vor dieser kleinen Schnecke kniest, und wartest, bis sie ihre Fühler ausstreckt und das Häuschen verlässt. Ganz konzentriert bist du dabei und völlig bei dir. Beschäftigt mit dem Staunen. Ich bewundere deine Neugier und deine Unbeschwertheit. Du denkst nicht an morgen und lebst im Augenblick. Dein Handeln ist im Hier und im Jetzt, bei dieser kleinen Schnecke. Kein Morgen. Keine Zukunftsängste. Wenn du traurig bist, zeigst du es, wenn du glücklich bist umso mehr. Dann streckst du mir deine kleine Ärmen entgegen und forderst die Kuscheleinheiten ein, die an manchen Tagen vielleicht zu kurz kommen. Für deine Offenheit beneide ich dich. Denn wie oft muss ich mich verstellen – im Privaten vor allem aber im Berufsleben? Muss freundlich sein und nicken, dabei will ich schreien und stampfen… Wie oft trage ich diese Maske, die man braucht, wenn man ein wenig von der Welt geschnuppert hat und so manches durschaut hat? Dein Lachen ist ehrlich. Ich liebe es und genieße es zu beobachten. Es erdet mich.

Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe?

Ich bewundere dein Vertrauen. Deinen tiefen Glauben an das Gute im Menschen. Diese Zuversicht in das Morgen. Und diese Unbeschwertheit, die dir Wärme und Geborgenheit garantiert. Wie machst du das nur? Wenn ich dich so ansehe, während du deine kleine Zunge zwischen die Lippen gepresst hast und das Schneckenhaus betrachtest, frage ich mich, was in deinem kleinen Köpchen gerade vor sich geht. Ich denke an Dinge die ich dringend zu erledigen hätte. Ich frage mich ob du die Liebe fühlst, die gerade aus meinem Herzen sprudelt, während ich dich anschaue. Während ich mir ausmale, wie es sein wird, wenn du mal ein erwachsener Mann bist. Wie wirst du mit Bart aussehen? Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen: Dieses süße kleine Kindergesicht! Die zarten Finger. Und irgendwann, wirst du größer sein als ich…

Und immer wieder kommen meine Gewissensbisse, wenn ich dich anschaue: Schenke ich dir auch genug Aufmerksamkeit? So viel Aufmerksamkeit, wie du eben dieser Schnecke gibst? Wenn ich dich wieder einmal abwimmle, weil ich noch schnell einen Anruf tätigen muss. Wenn ich dir nur einen kurzen Blick gönne, weil ich mich mit deinem Bruder beschäftigen muss. Wäre es für dich leichter, wenn du ein Einling wärst? Vermutlich nicht, denn ich sehe ganz genau wie du deinen Bruder liebst. Wie du ihn vermisst, wenn er einmal nicht da ist. Und trotzdem würde ich dir gerne ein wenig mehr Exklusiv-Zeit gönnen. Aber besser als wir es jetzt machen kann ich es eben nicht. Manchmal, ja manchmal wäre ich gerne diese kleine Schnecke und würde mich bei solchen Gedanken gerne in mein Haus verziehen. Darum mein Kleiner frage ich dich:

Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe?

Manchmal müssen wir hier in diesem Familienverband einfach funktionieren. Das greift ein Zahnrad ins andere. Für Ausfälle in jeder Form bleibt wenig Zeit. Es tut mir so leid! Es geht manchmal nicht anders. Ich bin dann selber an meinen Grenzen: Wenn ich arbeiten muss und du krank bist. Wenn ich einen Abgabetermin habe und du lieber auf den Spielplatz gehen würdest. Dann denke ich an einen Satz, der mich immer wieder beruhigt: „Gut genug ist das neue Perfekt!“ Und vermutlich mache ich dieses Mutter-Ding gar nicht so schlecht, wie ich mir das denke. Aber die Selbstzweifel sind natürlich da. Abends, wenn ich vor Müdigkeit fast umkippe und dir sehr ungeduldig helfe beim Zähne putzen. Wenn ich genervt bin und überfordert, weil wir wieder zu viert im Bett sind. Und wenn ich weiß, dass morgen wieder um 5.30 Uhr der Wecker klingelt. Und dann frage ich mich:

Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe?

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4 comments

  1. Vielen lieben Dank für den großartigen Artikel.
    Es geht mir das Herz auf und ich bin so berührt.
    Wie oft sitze ich da und beobachte meine 3.
    Ich liebe sie so sehr und frage mich ob ich ihnen gerecht werde,ob die gemeinsame Zeit zu kurz ist und und und….
    Und doch ist der Lohn ein Lächeln,viele kleine Arme die eine Umarmung schenken,ein Kuss bevor es wieder ans spielen geht,ein fünftes mal gute Nacht sagen,ein spontaner Nachtbesuch in unserem Bett….ein hab dich lieb…
    Ich freue mich schon auf weitere tolle Artikel,die so offen und ehrlich geschrieben sind…
    Allerliebste Grüße
    Lena

  2. Großartig <3<3<3

  3. Du sprichst mir aus der Seele! Ich habe auch Zwillinge, gerade 5 Jahre alt geworden, einen Jungen&ein Mâdchen.
    Und ich denke jeden Tag, dass ich jedem einzelnen von ihnen nicht gerecht werde- u.a.wegen meinen unregelmäßigen Arbeitszeiten oder weil ich nach einem anstrengenden Tag auf der Arbeit oft ungeduldig bin und gereizt.
    Im Kindergarten sagten die Erzieherinnen beim Elterngespräch letzte Woche, dass man merkt, dass sich viel mit den beiden beschäftigt wird, da sie z.B.eine gute Allgemeinbildung und einen großen Wortschatz haben.
    Was war ich froh!
    Es gibt doch so ’nen Spruch:“Hinter jedem großartigen Kind steht eine Mutter, die glaubt, alles falsch zu machen.“

  4. Sehr interessant zu lesen! Übersicht gefällt mir!
    Ich bin immer dankbar für solche Artikel.

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